Jörg Bülow, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetags, über das Verhältnis von Bürgern, Kommunen und Verwaltungsgericht

Hamburger Abendblatt:

Wie würden Sie das Verhältnis von Kommunen und Verwaltungsgericht beschreiben?

Jörg Bülow:

Dass die Bürger das Handeln des Staates vor unabhängigen Gerichten anfechten können, ist eines der wesentlichen Merkmale unseres Rechtsstaates. Dies sichert die Freiheitsrechte der Bürger und das Vertrauen in den Staat. Für die Kommunen spielen die Verwaltungsgerichte drei unterschiedliche Rollen. Erstens als Kontrollinstanz: Wenn die Bürger das Verwaltungsgericht anrufen, prüft es das Verwaltungshandeln der Kommunen darauf, ob es rechtmäßig ist. Verwaltungsakte können dann aufgehoben werden oder die Kommune kann zu einer bestimmten Handlung verpflichtet werden. Zweitens als Schiedsrichter: Das Verwaltungsgericht entscheidet auch darüber, wenn es zwischen zwei Kommunen zu verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten kommt. Und drittens als Beschützer: Genau wie ein Bürger können sich auch Kommunen vor den Gerichten gegen das Handeln übergeordneter staatlicher Ebenen, also z. B. des Landes, wehren.

Können Sie für Kommunen relevante Themen ausmachen, mit denen sich die Richter in Schleswig auffallend häufig beschäftigen müssen?

Bülow:

Über genaue Zahlen verfügen wir nicht. Aber in den meisten Verfahren wird es um Geld gehen, also wenn sich die Bürger gegen Gebühren, Steuern und Beiträge wehren. Besonders wichtig sind auch Bauangelegenheiten, also Bebauungspläne ebenso wie die Erteilung von Baugenehmigungen. Und schließlich müssen die Kommunen vor allem im Ordnungsrecht allerlei Verbote aussprechen, Verpflichtungen auferlegen oder über Anträge entscheiden. Das führt schnell zu Verdruss bei den Bürgern und dann auch zu Gerichtsverfahren. Wir nehmen wahr, dass die Klagebereitschaft der Bürger steigt.

In welchem Maße gestalten Verwaltungsrichter, indem sie Urteile fällen, mitunter selbst Kommunalpolitik?

Bülow:

Kommunalpolitik beschränkt sich in der Wirkung meist auf eine bestimmte Kommune. Gerade verwaltungsgerichtliche Urteile haben jedoch oft Wirkung auf das ganze Land, wenn es um die Auslegung von Gesetzen geht. An eine gerichtliche Auslegung in einem Einzelfall halten sich dann auch alle anderen Kommunen, damit ihre Entscheidungen Bestand haben. Es kommt daher darauf an, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch auf die Praxistauglichkeit ihrer Urteile achtet. Einzelne, durch Gesetze nur grob geregelte Gebiete sind durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen so kompliziert geworden, dass nur noch Fachleute durchblicken. Entscheidungen der Verwaltungsgerichte dürfen außerdem nicht zu lange dauern, damit Bürger und Verwaltung schnell wissen, woran sie sind. Es ist daher weder für die Bürger noch für die Verwaltungen gut, wenn, wie jüngst, die Dauer der Verfahren wegen steigernder Fallzahlen im Asylbereich wieder ansteigt.