Der 21-jährige Norderstedter, der seine Eltern schwer verletzte, leide an Schizophrenie

Itzehoe/Norderstedt. Mit einem umfassenden Geständnis des Angeklagten ging jetzt vor der Großen Jugendkammer am Landgericht Itzehoe der Prozess gegen Levin S. aus Norderstedt weiter. Der 21-Jährige, der wegen versuchten Mordes, Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht steht, gab vor Gericht zu, am 4. Januar dieses Jahres seine Eltern in deren Haus in Quickborn mehrfach mit der spitzen Seite eines Dachdecker-Hammers auf den Kopf geschlagen zu haben. Diese erlitten dabei schwerste Platzwunden und offene Schädel-Hirn-Traumata, die nur wegen rascher ärztlicher Hilfe, die die schwerverletzte Mutter des Angeklagten selbst herbeirief, nicht akut lebensgefährlich waren, wie der Gerichtsmediziner Dr. Sven Anders vor Gericht aussagte.

Im Gerichtssaal spielten sich emotional-bewegende Szenen ab, als die Eltern den Hergang jenes verhängnisvollen ersten Sonnabendnachmittages des Jahres in ihrem Reihenhaus schilderten. „Ich möchte mich noch mal entschuldigen“, sagte der große und kräftig wirkende Angeklagte leise und etwas stockend in Richtung seiner Mutter und seines Vaters. „Müssen wir mit leben, Levin“, erwiderte dieser und umarmte kurz darauf seinen Sohn, was seine Frau ebenfalls tat. Die Eltern haben ihrem Sohn verziehen und ihm dies in einem Brief im Februar in die psychiatrische Anstalt nach Neustadt geschrieben, wo Levin S. seit dem Tatabend, als er wenige Stunden nach der Tat festgenommen wurde, neuroleptisch und stationär behandelt wird.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Eberhard Hülsing erklärte der Vater: „Ich kann ihm verzeihen, wenn er krank ist. Ich kann es nicht, wenn er es bei vollem Bewusstsein getan hat.“

Aber Letzteres müssen die Eltern nach Einschätzung der Sachverständigen Mareike Springorum-Schüler nicht fürchten, wie die Jugendpsychiaterin und Ärztliche Leiterin der Forensischen Psychiatrie Marsberg in Nordrhein-Westfalen in ihrem Gutachten ausführte. Demnach ist Levin S. an jenem Nachmittag in Quickborn-Renzel im Wahn auf seine Eltern losgegangen.

Der Junge, der schon als Kind wegen eines AHDS-Syndroms sechs Jahre medikamentös behandelt wurde, habe eine sich immer mehr entwickelnde Persönlichkeitsstörung und Schizophrenie. Schon als Kind sei er immer schwierig, eigenbrötlerisch und oft allein gewesen. Er flog von der Schule und zeitweise aus dem Elternhaus, machte auf dem Internat den Hauptschulabschluss und brach zwei Lehrstellen wieder ab, die ihm die Mutter besorgt hatte, führte die Sachverständige aus.

Vor der Tat am 4. Januar hatte er seine Eltern eine Woche zuvor das letzte Mal gesehen. Dabei sei es zum Streit gekommen, weil Levin plötzlich nicht mehr beim Renovieren helfen wollte, sagte der Angeklagte aus. „Meine Eltern haben mich beleidigt, beschimpft, ich tauge nichts“, sagte Levin aus. Er habe die Hilfe abgebrochen, weil er Blasen an den Fingern hatte, erinnerten sich auch die Eltern. Aber verbalen Auseinandersetzungen mit ihm seien sie schon seit Jahren aus dem Weg gegangen. Ihr Sohn wohnte in einer eigenen Ein-Zimmer-Wohnung in Norderstedt, die sie für ihn gekauft hatten.

Die widersprüchlichen Aussagen erklärte die Sachverständige mit seiner Persönlichkeitsspaltung. Er habe sich den Streit, der sich in seinen Gedanken mit früheren Erfahrungen überlagerte, in seiner Wahnvorstellung eingebildet und eine massive Wut entwickelt, die zu diesem Gewaltausbruch führte. „Ich wollte mich rächen und meine Eltern schwer verletzen“, sagte Levin S. jetzt vor Gericht. Darum schlussfolgert die Gutachterin: „Ich habe keine Zweifel an seiner Schuldunfähigkeit.“ Ihrer Einschätzung nach müsste Levin S. weiter in psychiatrischer Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung bleiben. „Dort wird er langfristig behandelt werden müssen.“ Zumal wegen seiner sich langsam entwickelnden Psychose ein „hohes Rückfall-Risiko“ bestünde.

Genau dies wollte der Angeklagte verhindern. Er möchte lieber ins Gefängnis als zurück in die Psychiatrie, sagte Levin S. fast flehentlich vor Gericht, damit er nach der Strafe frei sei und nicht noch jahrelang therapiert werden muss. Doch diesen Wunsch wird ihm das Gericht nach diesem Prozesstag und dem Gutachten kaum erfüllen können. Am Dienstag, 1. Juli, wird der Prozess fortgesetzt.