Studenten aus Brasilien informierten Harksheider Gymnasiasten über ihr Heimatland

Norderstedt. „Wer von euch glaubt denn, dass Brasilien Weltmeister wird?“ In der Klasse 8a des Gymnasiums Harksheide herrscht beharrliches Schweigen. Kim Tiveron da Costa, 29, Taína Gelsi Arndt-Pump, 25, und Gisela Friesen, 29, sind sich hingegen vollkommen sicher, dass ihr Heimatland bei der WM ganz vorne landen wird. „Wir haben einfach die besten Spieler.“

Die drei Studenten aus Brasilien haben im Zuge des Projekts „Fair macht Schule“ das Gymnasium Harksheide besucht, um den Schülern zu berichten, was sie von der WM im eigenen Land halten und welche Auswirkungen das Großereignis auf die brasilianische Gesellschaft haben wird.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Albert und Ursula Röhl vom Verein und Weltladen Top 21 in Elmshorn. Es soll Schüler dazu animieren, sich mit dem fairen Handel und der Entwicklungshilfe auseinanderzusetzen. Dazu vermittelt Top 21 in Kooperation mit dem Bündnis Eine Welt in Schleswig-Holstein und dem Diakonischen Werk Hamburg Studenten norddeutscher Universitäten, die aus Entwicklungsländern stammen, als Referenten an Schulen, um dort über Themen wie Welternährung und internationale Partnerschaften mit den Schülern zu diskutieren.

Die Idee, die brasilianischen Studenten ins Gymnasium Harksheide einzuladen, kam von WiPo- und Französisch-Lehrerin Sabrina Blocher. Sie organisiert an der Schule den Fair-Trade- Kiosk, an dem jeden Tag in der zweiten großen Pause fair gehandelte Produkte erworben werden können. Das eingenommene Geld wird an soziale Projekte in Indien gespendet. Außerdem hatte Blocher im Zusammenhang mit der WM drei fair gehandelte Fußbälle beim Weltladen bestellt, auf denen die brasilianischen Studenten nach ihrem Vortrag unterschreiben sollten.

„Die Stimmung in Brasilien ist nicht optimal für eine Weltmeisterschaft“, sagt Taína Gelsi Arndt-Pump, die aus Porto dos Gauchos stammt, einer Stadt mitten im brasilianischen Urwald. Sie hat deutsche Vorfahren und zog 2009 nach Hamburg, um dort Betriebswirtschaftslehre zu studieren. „Ursprünglich hielten die Brasilianer die WM für eine gute Idee, schließlich sind wir ein fußballverrücktes Land“, ergänzt Kim Tiveron da Costa. Der 29-Jährige hat in Brasilien Germanistik studiert und entschloss sich anschließend, als Sprachlehrer nach Hamburg zu ziehen. Mittlerweile studiert er Philologie an der Universität Hamburg. „Doch dann stellte sich heraus, dass die Politiker ihre Versprechen nicht einhielten.“ Die Weltmeisterschaft wurde viel teurer als geplant, Millionen flossen in die Renovierung von noch völlig intakten Stadien und sieben Arenen wurden extra neu errichtet.

„Das Problem ist, dass die neuen Stadien viel zu groß sind – nach der WM werden sie nie wieder voll sein. Denn viele der Orte, in denen die Arenen liegen, haben gar keinen Fußballverein in der ersten Liga oder einfach eine zu geringe Einwohnerzahl“, betont Gisela Friesen aus Curitiba, die Musiktherapie an der Universität Hamburg studiert.

Auch die Organisation sei nicht gut durchdacht. Beispielsweise sind die Stadien in den Fifa-Broschüren oder im Internet unter einem anderen Namen ausgeschildert als in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Brasilien. Außerdem können die Brasilianer nicht so gut Englisch sprechen. „Dafür sind sie sehr freundlich. Im Zweifelsfall würden sie einen umherirrenden Touristen an die Hand nehmen und zum Stadion führen“, so Gisela Friesen.

Während der WM werden die drei Studenten nicht in ihrem Heimatland sein. Doch aufgrund des erwarteten Chaos in und um die Stadien ist ihnen das sogar lieber. „Meine Familie hat mir davon abgeraten, mir ein Spiel live anzusehen“, sagt Taína Gelsi Arndt-Pump. „Zum einen haben sie Angst, dass ich in Ausschreitungen verwickelt werden könnte, zum anderen liegt das nächste WM-Stadion in Cuiabá sieben Stunden von unserem Haus entfernt. Da lohnt sich der Aufwand nicht.“

Nichtsdestotrotz haben die Studenten die Hoffnung, dass die WM zumindest politisch etwas in ihrer Heimat bewegen wird. „Ich verspreche mir, dass die nächsten Wochen Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Brasilianer haben werden“, sagt Kim Tiveron da Costa in Bezug auf die im Oktober anstehende Präsidentschaftswahl. „Vielleicht sehen die Leute dadurch endlich ein, was in unserer Regierung falsch läuft, und wählen dementsprechend besser.“

Der große Wunsch der drei Brasilianer ist nämlich, dass sich ihre Heimat in ein Land voller Ordnung und Fortschritt verwandelt. In eben das, was auf der Landesflagge (Ordem e Progresso) schon lange versprochen wird.