Im Kulturwerk gab es viel Applaus für „Petticoat und Wirtschaftswunder“ der Musikschule Norderstedt

Norderstedt. Sirenen kreischen, Flugzeuge dröhnen, Bomben rauschen sirrend in die Tiefe und entfachen ein Inferno. Die 50er- und 60er-Jahre-Revue „Petticoat und Wirtschaftswunder“ der Musikschule Norderstedt im Kulturwerk Norderstedt beginnt nach dem Zusammenbruch Deutschlands, mit der Stunde null, als der NS-Albtraum mit einem finalen Inferno in Flammen aufging und 56 Millionen Tote hinterließ.

Trümmerfrauen sind die Heldinnen dieser Stunde null, und sie räumen nach dem Ende des Weltkrieges auch mit den ewig Gestrigen auf, die aus den Ruinen schon wieder aufmarschieren. Vorerst. Dann müssen die Frauen wieder weichen, denn die Männer kehren zurück aus dem Krieg und schicken ihre Frauen an den Herd.

Monika Hiesener spielt und singt eine dieser Trümmerfrauen, und die Amateurschauspielerin von Tanks Theater trumpft nach Herzenslust auf, gibt bewusst die schrille, auf die kriegsbegeisterten Männer zornige Frau, hat Präsenz, starken Ausdruck und erhält für ihren souveränen Auftritt viel Beifall im ausverkauften Haus.

Die ersten Lacher allerdings gelten den ersten Fernseh-Spots der jungen Republik, darunter „Persil gepflegt“ und Dr. Oetker Puddingpulver, denn er, der Mann, bleibt erträglich, wenn sie, die Frau, ihm einen lecker gelben Pudding serviert. Auch Overstolz und BMW-Isetta gehen über die Leinwand auf dem Bühnenprospekt, eine gute Idee, den Zeitgeist in den Flegeljahren der Fünfziger zu zeigen.

Insgesamt legt das Ensemble um Regisseurin, Dramaturgin und Choreografin Simone Voicu-Pohl und Jon Welch, Arrangeur und Dirigent der Combo, eine flotte Sohle auf die Bühnenbretter, das Spiel hat Tempo, die Spieler zeigen Individualität und Witz, vor allem aber Freude und Leidenschaft fürs Theater.

Natalie Hiesener beispielsweise, Monika Hieseners Tochter, läuft im Schlager „Pack die Badehose ein“ zur komödiantischen Höchstform auf, ebenso in der Tanztee-Nummer, die in Gänze allerdings ziemlich langweilig und überflüssig in der Revue ist.

Als Zuckerpuppe überzeugt Marianne Grammersdorf mit einem folkloristischen Bauchtanz, gekonnt ist ihre Steppeinlage mit Petra Gundelach zu „Bon Soir Bon Soir“ im französischen Teil der Revue. Diese Tour nach Paris indes fällt ziemlich ruhig aus. Die Liebe an der Seine – gesanglich gut kommt Isa Scholz rüber – plätschert mit der Combo eher zahm dahin, bis das Ensemble es mit „Pigalle“ endlich wieder krachen lassen darf und mit dem Orient-Medley fröhlich-frivole Fahrt aufnimmt. Die Spielfreude des Ensembles geht auf das Publikum über – es klatscht und singt fröhlich mit.

Abgesehen vom ernsten Anfang fasst Voicu-Pohl die Revue mit leichter Hand und schickt die Schlager und Evergreens mit Ironie und Witz über die Rampe. Das geht manchmal zulasten der altvertrauten Melodien wie beispielsweise in „Zwei kleine Italiener“ und dem Chianti-Lied.

Beide hätten durchaus mehr Charme und Chic verdient, doch Gunnar Weitz und Frank Vorreiter, zwei gar nicht so kleine, dafür gestandene Herren, die ihre Rollen mit Esprit und Temperament meistern, müssen als kleine Italiener aus deutscher Thermoskanne und Blechnapf trinken und essen. Das soll ebenso satirisch sein wie die Maibockbier-Humpen zum Chianti-Lied. Beides aber wirkt eher wie ein schaler Witz. Dann schon lieber Männer in Shorts mit prallen haarstacheligen Waden über weißen Socken in Sandalen.

Als Running Gag mit dem Capri-Lied begeistert Frank Vorreiter mit seinem veritablen Tenor.

Aufführungen: „Petticoat und Wirtschaftswunder“ spielt am Sonnabend und Sonntag, 21. und 22. Juni, Sonnabend, 20. September, 16 Uhr, und Sonntag, 21. September, 16 Uhr, im Kulturwerk Norderstedt, Am Kulturwerk 1. Karten zwischen zwölf und sechs Euro gibt es im Vorverkauf, unter Telefon 040/30 98 71 23, unter kartenbestellung@norderstedt.de per E-Mail und an der Abendkasse.