Wirtschafts-Staatssekretär Frank Nägele setzt beim Fluglärm auf die Kooperation mit Hamburg – aber auf Augenhöhe

Norderstedt. Natürlich nutzte Reimer Rathje von der Wir-in-Norderstedt-Fraktion (WiN) die Option, sich vor den Augen der vom Fluglärm geplagten Norderstedter Bürgern als Kämpfer gegen die Ungerechtigkeit zu profilieren. Schließlich macht die Minderung des Fluglärms etwa 80 Prozent des Programms seiner Wählerinitiative aus. „Über Alsterdorf gehen 2600 Starts hoch. Und in Hamburg hat man eingesehen, dass schon diese Belastung an Fluglärm krank macht. Wir in Norderstedt haben 43.000 Starts im Jahr. Da fehlt mir eine klare Aussage der Landesregierung. Es müsste mehr Druck auf die Hamburger Politik ausgeübt werden, Kiel muss sich für andere Bahnbenutzungsregeln und Entlastung in den Randzeiten einsetzen!“

Im Verkehrsausschuss am Donnerstag war der schleswig-holsteinische Wirtschafts-Staatssekretär Dr. Frank Nägele zu Besuch. Er war gekommen, um zuzuhören, wie er sagte. Und die Norderstedter Fluglärm-Betroffenen, die dicht an dicht im Rücken der Kommunalpolitiker im engen Sitzungsraum des Rathauses saßen, waren gekommen, um ihm zuzuhören. Weil sie dachten, er würde jetzt zum Beispiel verkünden, dass ab dem nächsten Monat garantiert kein Flugzeug mehr am Sonntag um 6Uhr über Norderstedt wegdonnert, weil er es den Hamburger jetzt mal zeigen werde.

Nägele vernahm das Säbelrasseln der WiN-Fraktion und spürte die Erwartungshaltung der Menschen. Doch er war so klug, besser, so politisch fair, dem Affen an diesem Abend keinen Zucker zu geben. An Rathje gewandt sagte Nägele: „Fluglärm macht krank. Je mehr Überflüge, desto mehr leiden unter Lärm. Das ist Fakt. Das werden Sie immer von mir hören. Doch was Sie nicht hören werden, sind irgendwelche Forderungen, von denen ich jetzt schon weiß, dass ich sie nicht einhalten kann.“

Nägele ließ Rathjes Aufforderung zur Kampfansage im Raum verhallen wie ein Echo aus einer längst vergangenen Zeit. Einer Zeit, in der Schleswig-Holstein und besonders Norderstedt beim Fluglärm konsequent den Konflikt mit Hamburg suchten. Und damit grandios gegen die Wand fuhren. „Hamburg hat zwei Urteile in der Hand, die besagen, dass alles rechtens ist, was sie am Flughafen machen. Zeigen Sie mir den Hamburger Bürgermeister, der auf dieser Basis Fluglärm in Norderstedt auf Kosten Hamburgs mindert. Der würde sich wohl nicht lange im Amt halten“, sagte Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, der Nägele in den Ausschuss begleitet hatte.

„Der juristische Weg ist ein Holzweg. Und der Konflikt auf dem Krawallweg führt zu nichts. Da verhärten sich die Fronten, wir proklamieren unsere Forderungen, und am Ende tut sich nichts“, sagte Nägele. Nüchtern analysierte er, dass an der geltenden Betriebsgenehmigung für Fuhlsbüttel nicht gerüttelt werden könne. Dass Hamburg sowie Schleswig-Holstein auf das infrastrukturelle Herzstück Flughafen angewiesen seien. Dass es keine gerechten Schlüssel für die Verteilung von Starts und Landungen gebe, sondern nur andere Wege in der Verteilung der Belastung. „Schleswig-Holstein und Hamburg sind aufeinander angewiesen und müssen aufeinander zugehen“, sagte Nägele.

Der Lärmaktionsplan für Fuhlsbüttel sei ein historischer Erfolg

Und genau das geschehe jetzt bei der Erstellung des Lärmaktionsplans für den Hamburger Flughafen, an der alle betroffenen Kommunen und das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) unter Federführung Hamburgs arbeiten. „Es ist ein historischer Erfolg, dass es diesen Lärmaktionsplan für den Flughafen jetzt überhaupt gibt“, sagte der Ausschussvorsitzende Jürgen Lange, der seit über 40 Jahren in der Norderstedter Kommunalpolitik aktiv ist und lebhafte Erinnerungen an die gescheiterten Norderstedter Klagen und den Vertrag zwischen der Gemeinde Garstedt und Hamburg beim Bau des Flughafens hat. „Manche wollen uns immer noch glauben machen, dass diese Verträge mit der Einschränkung geschlossen wurden, dass irgendwann sowieso der Großflughafen Kaltenkirchen gebaut wird und jetzt, nachdem der Flughafen Kaltenkirchen beerdigt wurde, die Betriebsgenehmigung für Fuhlsbüttel erlischt. Das ist absolut unwahr.“

Im Lärmaktionsplan seien Forderungen nach einer umläufigen Verteilung der Starts und Landungen in den Randzeiten (6 bis 7 und 22 bis 23 Uhr) enthalten, ebenso an den Wochenenden, damit alle Betroffenen an wenigstens einem Wochenende im Monat Ruhe haben. Außerdem würden neue Abflugwinkel für Flugzeuge definiert, Flugrouten verbindlich festgeschrieben und die Gebührenerhebung beim Einsatz emissionsreicher Flugzeuge erwogen. Fertig soll das Papier mit seinen etwa zwölf Kernpunkten bis zur Sommerpause sein. Der Umsetzungshorizont reiche dann bis 2018.

Wohlgemerkt: Immer in Abstimmung mit Hamburg und allen Betroffenen. „Klar gibt es in der Hansestadt noch Leute, die über Schleswig-Holstein denken: Was kümmert es die Eiche, wenn sich die Sau an der Borke reibt. Doch die meisten Verantwortlichen im Senat sind eher erstaunt, wie selbstbewusst und auf Augenhöhe ihnen Schleswig-Holstein derzeit begegnet“, sagt Nägele. Das Ziel sei die Partnerschaft, das gemeinsame Vorwärtskommen. Beim Flughafen und bei vielen anderen politischen Themen.