Jens Rapude ist im Norderstedter Rathaus zuständig für die Finanzsteuerung – 126,3 Millionen Euro in diesem Jahr

Es ist eigentlich ganz einfach und wie bei uns allen zu Hause: Wir nehmen Geld ein und geben es wieder aus. So ist es auch mit dem Haushalt der Stadt“, sagt Jens Rapude, Leiter des Fachbereichs Finanzsteuerung im Norderstedter Rathaus. So weit, so einfach, aber auch so unzureichend, denn: Im Unterschied zum privaten Haushalt konnte niemand sagen, was die Stadt an Vermögen angehäuft hat. Die Schulden stehen fest und werden von Politikern gern instrumentalisiert, der Wert von Gebäuden, Straßen, Wegen und Grünanlagen aber ist bisher eine unbekannte Größe. Das wird nun anders, das sogenannte doppische System mit doppelter Buchführung ersetzt die alte Kameralistik.

Die Mitarbeiter wühlen sich durch Tausende von Akten, müssen bis zu 50 Jahre zurück recherchieren, was der Schulbauten und Straßen gekostet haben. Schulen wurden erweitert, Straßen saniert und ausgebaut, die Stadt hat weiter investiert, auch diese Summen fließen in die Eröffnungsbilanz ein. Die ist so gut wie fertig: Gut 500 Millionen Euro beträgt das städtische Immobilienvermögen, dem stehen Schulden von 85,3 Millionen Euro gegenüber. „Unser Rechnungsprüfungsamt überprüft die Bilanz noch, da können sich noch kleinere Änderungen ergeben“, sagt Rapude. Damit zählt Norderstedt, so Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, zu den finanziell am besten aufgestellten Städten im Norden und spielt auch bundesweit im oberen Tabellendrittel mit.

Und der Wert der Stadt soll weiter wachsen, bis 2018 auf 539,9 Millionen Euro. Um den Zuwachs zu erreichen, sind auf der anderen Seite Investitionen nötig, die wesentlich über Kredite finanziert werden. Mit dem Geld von der Bank will die Stadt vor allem die Schulen ausbauen und modernisieren und weitere Kitaplätze schaffen und die Attraktivität als Wohnort erhöhen. „Stillstand bedeutet Rückschritt“, sagt Grote, der junge Familien nach Norderstedt holen will. Die wiederum zahlen Steuern und sichern so die Infrastruktur. Laut Finanzplan werden folglich auch die Schulden zunehmen, bis 2018 auf 122,9 Millionen Euro. Dennoch steigt das Anlagevermögen: von 489,4 Millionen im Jahr 2010 auf eben 539,9 Millionen Euro im Jahr 2018.

Die Gemeindeordnung verpflichtet die Kommunen, einen Haushalt aufzustellen. Es gibt Pflichtaufgaben, so muss die Stadt die Hebesätze für Grund-, Gewerbe- und andere Steuern verbindlich festlegen, den Brandschutz gewährleisten, auch Soziallasten wie das Wohngeld sind überregional geregelt. Spielräume haben Politiker und Verwaltung, um das Leben in der Stadt zu gestalten, Kultur und Sport zu fördern, Klimaschutz nach vorn zu bringen oder Radwege zu bauen.

Steuern sind die wesentlichen Einnahmen. Für dieses Jahr kalkuliert Rapude mit knapp 13,7 Millionen Euro an Grundsteuern, 67,5 Millionen Euro soll die Gewerbesteuer bringen, die Wirtschaft zahlt mit Abstand am meisten Geld in den Haushalt ein. Zweitgrößte Quelle ist der städtische Anteil an der Einkommensteuer mit 35,2 Millionen Euro. Hinzu kommen der Anteil an der Umsatzsteuer (5,9 Millionen), die Spielgerätesteuer (490.000 Euro) und die Hundesteuer (172.600). 813.000 Euro erhält die Stadt an allgemeinen Zuweisungen, 500.000 Euro nimmt sie aus Zinsen und Säumniszuschlägen ein. Insgesamt kommen immerhin 126,3 Millionen Euro zusammen.

Davon müssen Rapude und sein Team allerdings 44,7 Millionen Euro gleich weiter reichen: 32,2 Millionen als Umlage an den Kreis Segeberg, knapp 11,1 Millionen Gewerbesteuerumlage an Bund und Land und 935.600 Euro als Umlage ans Land. Geld nimmt die Stadt auch aus Gebühren und Entgelten ein. So zahlen die Norderstedter dafür, dass die Müllwerker den Abfall regelmäßig abholen und dass das Abwasser entsorgt und gereinigt wird. Mit diesen Gebühren darf die Stadt keinen Gewinn machen, sie müssen so kalkuliert sein, dass sie die Ausgaben decken. Sie dürfen auch nicht für andere Zwecke verwendet werden oder einfach, wie beispielsweise die Hundesteuer, im allgemeinen Haushalt verschwinden und benutzt werden, um Lücken zu schließen. Die Bürger zahlen auch für Kita-Plätze, die Stadtbüchereien, Kurse von Musikschule und Volkshochschule, Theater und Musik in der „TriBühne“ und im Kulturwerk. Doch diese Einnahmen decken die Ausgaben bei weitem nicht, diese Angebote werden aus dem städtischen Budget subventioniert. So hat die Stadt für die städtischen Kitas im vorigen Jahr gut 4,2 Millionen Euro eingenommen, sie musste aber knapp zehn Millionen Euro für den laufenden Betrieb ausgeben.

Nach Abzug der Umlagen an Bund, Land und Kreis bleiben 81,8 Millionen Euro – Geld, mit dem Politiker und Verwaltung das Leben in Norderstedt gestalten. Mit Abstand am meisten Geld gibt die Stadt dafür aus, dass die Kinder gut betreut und die Schüler qualifiziert unterrichtet werden. 35,5 Millionen Euro stehen dafür im aktuellen Haushalt – wie in den Vorjahren gibt es wieder einen Doppeletat für die Jahre 2014/15. Der Bereich Straßen, Verkehr, Entwässerung schlägt mit 6,7 Millionen Euro zu Buche, fast genauso viel bekommt das Jugendamt. Das Betriebsamt, unter anderem zuständig für Müllabfuhr und Grünpflege, wird mit knapp sechs Millionen Euro bedacht, in Erhalt und Ausbau der kommunalen Gebäude fließen 4,3 Millionen.

„Wichtig ist, dass Norderstedt im Unterschied zu Lübeck oder Kiel den laufenden Betrieb bezahlen kann, ohne dafür Schulden machen zu müssen. Über Kredite werden ausschließlich Investitionen finanziert“, sagt Rapude, der alle zwei Jahre ein gut 800 Seiten starkes Zahlenwerk erarbeitet. „Zahlen sind einfach meine Sache“, sagt der Mann, der auch im Controlling arbeitet. Der Haushalt gliedert sich entsprechend der Zahl der Fachämter im Rathaus in 15 Budgets, die sich wiederum in 102 Teilpläne und rund 3600 Produkt- sowie 11.400 Buchungskonten verästeln. Inzwischen wird das mehrere Kilo schwere Buch nur noch in Ausnahmefällen gedruckt.

Der Oberbürgermeister demonstriert den modernen Umgang mit dem Etat: Eine kurze Bewegung auf dem Tablet – schon erscheint der gewünschte Bereich. Mit Daumen und Zeigefinger ziehen, und die Zahlen sind so groß, dass sie sich auch ohne Brille lesen lassen. „Da lässt sich auch feststellen, dass wir 2012 und 2013 mit Gewinn abgeschlossen haben, wie übrigens auch die acht Jahre davor“, sagt Grote. 2012 lag der Überschuss bei 4,3 Millionen Euro, im Vorjahr bei 3,6 Millionen.

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