... mit Elisabeth von Bressensdorf. Die 69-Jährige hat über zwei Jahre Henstedt-Ulzburg als ehrenamtliche Bürgermeisterin geleitet

Das wird ein schöner Frühlingstag – auch wenn sich die Sonne noch hinter den Wolken versteckt“, sagt Elisabeth von Bressensdorf, 69. Es ist 8.30 Uhr, Zeit für den morgendlichen Spaziergang mit Piccolo. Der elf Jahre alte Westhighland White Terrier wird schon langsam ungeduldig. Schnell noch die Leine, einige Leckerli und drei Hundekotbeutel in die Jackentasche gesteckt – dann geht es los.

Tag eins nach zwei Jahren und drei Monaten Amtszeit als geschäftsführende, ehrenamtliche Bürgermeisterin in Henstedt-Ulzburg. Am Freitag hat sich Elisabeth von Bressensdorf im Rathaus von ihren Mitarbeitern verabschiedet. „Nicht für immer“, sagt sie. „Ich bleibe ja die erste Stellvertreterin.“

Heute will sie mir ihre Lieblingsplätze zeigen. Orte, an denen sie in den vergangenen 40 Jahren frühmorgens Kraft für den Alltag getankt hat.

Ein Radfahrer berichtet, hier hätten junge Leute eine Grillfete veranstaltet

Piccolo kennt den Weg, es sind nur ein paar hundert Meter bis zur Alsterquelle, seit vielen Jahren für Radfahrer und Spaziergänger ein beliebter Ort zum Verweilen. Ein Platz, den die „Männerbruncher“ von der St.-Petri-Kirche vor zwei Monaten anlässlich der Aktion „Schleswig-Holstein räumt auf“ gesäubert und in einen guten Zustand gebracht hatten.

Jetzt sieht der Platz aus, als hätten hier Vandalen gehaust. Überall Aschereste, verkohlte Birkenstämme, ein randgefüllter Abfallbeutel. Die Bürgermeisterin schaut fassungslos in die Runde. Ein Radfahrer berichtet, hier hätten junge Leute am Vatertag eine feuchtfröhliche Grillfete veranstaltet. Am schlimmsten sieht es im Quelltopf der Alster aus. Den Birkenstamm im Wasser konnte ein Mann allein bestimmt nicht tragen.

Wer macht jetzt Klarschiff, wer räumt diesen Platz wieder auf? Die Bürgermeisterin klärt mich auf: „Ich habe am heutigen Sonnabend Bereitschaftsdienst. Am Montag werde ich beim Bauhof anrufen. Die Jungs machen das schon.“ Eigentlich, sagt sie, sei ja die Stadt Hamburg als Eigentümerin der Alsterquelle zuständig. Doch der Kontakt zur Hansestadt sei nicht sonderlich gut. Im Herbst vergangenen Jahres habe sie einen Ortstermin angeregt, aber Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz habe erst zu- dann jedoch kurzfristig wieder abgesagt.

„Komm, Picco, wir wollen weiter“, ruft sie. Der Terrier nimmt einen letzten Schluck Quellwasser, dann trottet er los. 200 Meter weiter, wo die Alster schon ein Flüsschen ist, führt der Weg über eine kleine Holzbrücke.

Elisabeth von Bressensdorf bleibt stehen. Sie lehnt sich über das Geländer und schaut in die Ferne. „Ich bin glücklich, zufrieden und dankbar, wenn ich frühmorgens hier stehe mit dem Blick auf die alte Kiefer, die Wasserlilien und die Alsterniederungen“, sagt sie. „Die wunderschöne Natur meint es gut mit uns.“

„Ich freue mich, dass ich als Zuagroaste so gut angekommen bin.“

Das erste und einzige Mal spricht die Volljuristin bei dieser Gelegenheit über ihre Vergangenheit. In Prag geboren, in Passau aufgewachsen, der Liebe wegen und unter Aufgabe der Übernahme der Anwaltspraxis ihres Vaters im Jahr 1975 aus dem tiefsten Bayern in den hohen Norden ausgewandert – das ist ihre Geschichte. „Diesen Weg habe ich nie bereut“, sagt sie. „Ich freue mich, dass ich als „Zuagroaste“ (Zugereiste) in Henstedt-Ulzburg so gut angekommen bin.“

Ein paar Schritte weiter, die Bürgermeisterin bleibt wieder stehen. „Hier treffe ich fast täglich einen Rehbock“, erzählt sie. „Er steht höchstens drei, vier Meter von mir entfernt auf der moorigen Wiese und schaut mich an. Manchmal kommuniziere ich mit ihm. Wo bleibt er heute nur?“

Hundefreunde begegnen uns, alle grüßen freundlich. Man kennt sich eben. Auch der Mann, der im Naturschutzgebiet als der Vogelzähler bekannt ist, radelt vorüber und wünscht einen guten Tag.

„Jetzt gehen wir zum Lupinenteich“, kündigt Elisabeth von Bressensdorf an. Hier stehen im Mai/Juni die Lupinen in voller Blütenpracht. Den Ort kennen nur Eingeweihte.

Die Bürgermeisterin setzt sich auf eine niedrige Staumauer und nimmt ein erfrischendes Fußbad. Auch Piccolo springt ins Wasser. Ihr Blick geht weit über die Alsterniederung. Hier hat sie viele Male über sich hinwegziehende Kraniche verfolgt, auch Graureiher und Kiebitze.

Auf dem Rückweg kommen wir an mehreren Regenrückhaltebecken vorbei. An einem Gewässer hat sie häufig ein Eisvogel-Pärchen beobachtet, in einem anderen schwammen Koi-Karpfen. Woher die kamen, weiß niemand.

Recht bald will sie ihren Steinway-Flügel von den hohen Aktenstapeln befreien

Zu Hause in den Alsterwiesen angekommen, zieht Elisabeth von Bressensdorf eine Bilanz ihrer Amtszeit: „Ich habe viel gelernt und die Bestätigung erhalten, dass man auch im höheren Alter noch etwas leisten kann. Aus der Bevölkerung habe ich uneingeschränkten Zuspruch bekommen und viel Unterstützung in der Verwaltung. Ich möchte diese Zeit nicht missen.“ Elisabeth von Bressensdorf ist stolz auf die öffentliche Äußerung des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, „dass es in Henstedt-Ulzburg auch ohne hauptamtlichen Bürgermeister klappt“.

Wie sieht ihre Zukunft aus? Recht bald will sie ihren Steinway-Flügel von den hohen Aktenstapeln befreien und neu stimmen lassen. „Heißt das, Sie kehren zur Musik zurück?“ Ganz nebenbei hatte sie mir nämlich unterwegs erzählt, dass sie in früher Jugend ein Musikstudium mit der Note „Gut“ abgeschlossen habe.

„Wer weiß, wer weiß“, antwortet Elisabeth von Bressensdorf vielsagend. Was sie dann sagt, damit hätte ich rechnen müssen: „Stefan Bauer hat für Oktober einen zweiwöchigen Urlaub angekündigt. Ich freue mich, dass ich den neuen Bürgermeister dann wieder vertreten darf.“