Mehr Streifen unterwegs: Norderstedter Polizei setzt im Kampf gegen Jugendkriminalität auf engen Kontakt zur Szene

Norderstedt. Mit dieser deutlichen Reaktion hatten die Jugendlichen nicht gerechnet. Lässig hatte einer von ihnen die Abkürzung „ACAB“ gerufen, als Robert Reuter und seine drei Kollegen an der fünfköpfigen Gruppe am Eingang zum U-Bahnhof Garstedt vorbeigingen. Die Polizisten drehen sich um und stoppen die Jugendlichen. Sie kontrollieren die Ausweise, notieren die Personalien und überprüfen den Inhalt aller Taschen. „Wir waren das nicht“, sagt einer der Jugendlichen. Doch die Situation ist klar. ACAB steht für „All cops are bastards“ – alle Bullen sind Bastarde. Die Beamte werden Anzeige wegen Beleidigung schreiben.

Seit April hat die Polizei ihren Kampf gegen die Jugendkriminalität mit besonderen Streifen verstärkt. „Jugendpräsenzstreife“ nennt sich der Dienst, den zumeist junge Beamte übernehmen. Reuter ist 31 Jahre, seine jüngste Kollegin ist 20. Die Polizisten kennen die Szene. Einige 16- bis 18-jährige Jungen, die am U-Bahnhof Garstedt nach dem ACAB-Spruch durchsucht werden, haben nicht zum ersten Mal Ärger mit der Polizei. Manche Delikte sind deutlich schwerwiegender als eine Beleidigung. Bis zur Einstufung als Intensivtäter ist es nicht weit.

Diese jungen Menschen, die bereits mehrere Straftaten auf dem Konto haben, werden von den Jugendstreifen wieder angesprochen. Fast immer sind es Jungen, sie sind zwischen 14 und 20 Jahre. „Sie sollen wissen, dass wir sie im Auge haben“, sagt Jochen Drews, Chef des Polizeireviers Norderstedt.

Dass ihnen die Polizei genau auf die Finger guckt, schreckt jedoch nicht jeden Intensivtäter ab. Als die Polizei vor zehn Tagen nach einer Serie von Raubüberfällen zu einer weiteren Tat im Umfeld des Herold-Centers gerufen wurde, mussten die Beamten nicht lange suchen. Sie nahmen einen 16-Jährigen fest, der immer wieder wegen ähnlicher Delikte aufgefallen war. Das Amtsgericht reagierte konsequent und erließ Haftbefehl – wegen Wiederholungsgefahr.

„Wir haben die bekannten Treffpunkte der Intensivtäter von Beginn an in unser Präsenzkonzept mit einbezogen, relevante Gruppen werden von den Beamten niedrigschwellig kontrolliert“, sagt Drews. „In einigen Fällen konnten die Beamten durch frühzeitiges Einschreiten Straftaten verhindern, in anderen Fällen konnten Täter unmittelbar nach der Begehung von Straftaten von den Präsenzkräften festgenommen werden.“ Dazu zählte auch der 16-Jährige aus Garstedt.

In einem kleinen Park am Coppernicus-Gymnasium stoßen die Beamten auf eine andere Gruppe, die ebenfalls aufmerksam beobachtet wird: Jugendliche, die in der Öffentlichkeit Alkohol trinken. Sie treffen sich auf Spielplätzen oder Grünflächen. Häufig kommt es dort zu Straftaten wie Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Vandalismus.

Mike und Yussuf*, beide 16 Jahre, haben es sich mit ihren Getränken auf einer Bank gemütlich gemacht und kämpfen bereits mit ersten Artikulationsproblemen. Auf dem Boden stehen mehrere Flaschen. Einige sind voll, mehrere sind bereits leer. „Wir haben an der Tanke nach Bier gefragt“, sagen die beiden. Tatsächlich haben sie ein Mix-Getränk mit Tequila und damit Hochprozentiges gekauft. Für Minderjährige sind diese Getränke tabu. Vor den Augen der Polizisten müssen sie die Flaschen ausgießen.

„Solche Jugendliche wollen wir nicht kriminalisieren“, sagt Drews. Die Polizisten weisen sie auf Regeln hin und zeigen – in der Regel freundlich – die Grenzen. Das fängt beim Wegtragen des eigenen Mülls an und endet damit, dass die Beamten auf einem Spielplatz für Ruhe sorgen, wenn die Party an Lautstärke zunimmt. Wer öfter auffällt, wird sich und seine Eltern auf ein Gespräch mit der Polizei oder dem Jugendamt vorbereiten müssen.

„Die Norderstedter Polizei hat bereits mit Beginn der Osterferien ihre Präsenz an bekannten Treffpunkten von Jugendlichen verstärkt“, sagt Drews. „Grundlage ist ein gemeinsames Konzept mit der Stadt Norderstedt, um dem wiederkehrenden Phänomen alkoholisierter Jugendlicher in der Öffentlichkeit und den damit oft einhergehenden Straftaten zu begegnen.“ Vorrangiges Ziel sei aber der Jugendschutz.

Dabei hält die Polizei engen Kontakt mit dem Amt für Jugend und Soziales der Stadt, damit gefährdete Jugendliche frühzeitig erkannt werden und den betroffenen Familien Hilfe angeboten werden kann. Um diese Jugendlichen kümmern sich geschulte Beamte der Schutzpolizei. Anders geht die Polizei vor, wenn wieder einmal ein Intensivtäter straffällig geworden ist. Dann übernimmt die Ermittlungsgruppe Jugend der Kripo den Fall.

Erste Zahlen könnten darauf hindeuten, dass das Konzept aufgeht. „Für den Zeitraum Januar bis Mai 2014 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2013 ist in Norderstedt einen Rückgang der Raubdelikte zu verzeichnen“, sagt Drews. Im Umfeld des Herold-Centers steigen die Zahlen jedoch leicht an – wie in fast jedem Jahr. Mit Beginn der warmen Jahreszeit stellt die Polizei stets einen „saisonalen Anstieg“ bestimmter Delikte fest.

(*Die Namen wurden geändert)