Wenn sich jemand lang und breit über etwas auslässt, hört irgendwann keiner mehr wirklich hin.

Optisch scheint der Effekt „lang und breit erregt Aufmerksamkeit“ jedoch prima zu funktionieren. Getreu dieser Devise baut die Firma Dodenhof auf ihrem Gelände an der Autobahnausfahrt Kaltenkirchen einen der höchsten Werbetürme Deutschlands: 62 Meter hoch, mit einer Werbetafel-Gesamtfläche von 400 qm.

So sichten demnächst skandinavische Anreisende bereits kurz nach Überquerung des Pølser-Breitengrads bei Flensburg am Horizont den blinkenden Hinweis aufs lockende Shopping-Erlebnis, nordwärts Reisende aus den süddeutschen Gefilden jenseits der Elbe blendet die balzende Botschaft sofort nach Verlassen des Elbtunnels. 20.000 LED-Lampen entfalten ihre unwiderstehliche Sogwirkung. Hinfahren, rausfahren, vorfahren, jede Menge überflüssiger Klamotten kaufen und den Kleiderschrank gleich dazu. So ist jedenfalls der Plan.

Das Prinzip erinnert an die Kirche. Hohen Turm bauen, bisschen mit der Glocke lärmen – dann kommen schon alle. Hat jahrhundertelang ganz gut geklappt. Mittlerweile eher nicht mehr. Wen wundert’s, so ein Dodenhof-Werbeturm macht ja auch viel mehr her. Von innen beheizbar, um Eisbildung zu verhindern. Sturmsicher bis zur Windgeschwindigkeit von 250 km/h. Von den ollen Kirchtürmen dagegen schüttet es Dachlawinen und bröckelnden Putz. Doch bevor Gläubige beginnen, ihre Gotteshäuser mit Stroboskopblitzen in Szene zu setzen und Pastoren lautsprecherverstärkt im Stundentakt von Turmhelmen rappen, muss ich mahnend an den Gewöhnungseffekt erinnern. Vor 25 Jahren war jedes Windrad eine echte Sensation, heute schaut keiner mehr hin – dabei drehen sich die Dinger sogar, das schafft der Dodenhof-Werbeturm nicht. Und bei der Kirche bestenfalls der Wetterhahn.

Außerdem haben die Dodenhof-Werber einen wesentlichen Aspekt nicht beachtet. Auf der A7 steht man demnächst chronisch im Stau. Stundenlang in Sichtweite des neuen Turms auf die LED-Tafel glotzen – das ist wie früher, als man nach TV-Programmschluss vorm Testbild einschlief. Die Polizei wird regelmäßig ganze Kolonnen wecken müssen.

Aber bei Dodenhof gibt es bestimmt auch Pyjamas.