Das Amateurtheater Pur stellt seit 25 Jahren Produktionen auf Norderstedts Bühnen, die manchen Profi erblassen lassen

Es begann mit einem eingebildeten Kranken. Den spielte Theatergründer Michael Scharbert, und es war eine Rolle, die sich der damals 34-Jährige erträumte. Den Traum erfüllte er sich einfach selbst und stellte 1990 Moliéres Komödie „Der eingebildete Kranke“ auf die Bühne im Festsaal am Falkenberg.

„Es war unser erster Auftritt im Festsaal, und ich musste richtig darum kämpfen, doch wir waren einfach der Meinung, dass wir auf diese Bühne gehören“, sagt Michael Scharbert heute, zum 25. Geburtstag des Norderstedter Amateurtheaters Pur – Das Junge Theater.

Inzwischen ist das Pur zu einem der etabliertesten Amateurtheater der Region geworden, mit dem sechsten Kulturpreis der Stadt Norderstedt (2012) und weiteren Preisen ausgezeichnet und spielt vorzugsweise im Norderstedter Kulturwerk.

Mit Aufführungen wie Shakespeares Romeo und Julia, Jean Paul Sartres Geschlossene Gesellschaft und mit der Jugendgeschichte „Herr der Diebe“ von Cornelia Funke feierte das Theater Triumphe. Vielfach mit Michael Scharbert als Regisseur oder in einer großen oder auch kleinen Rolle.

Michael Scharbert ließ es als Proll in „Lebensretter“ so richtig krachen

Beispielsweise 2010. In der Komödie „Lebensretter“ von Nick Walsh und Julie May. Michael Scharbert ließ es als Proll so richtig krachen, und sein dreckigen Lachen brachte dem Bildungsbürger Gänsehaut. „Du hast sie im Kino genommen, Du Schlimmer!“ dröhnte Scharbert als Fitness-Studio-Inhaber über die Rampe.

Scharbert ist das, was Schauspieler eine Rampensau nennen. Und da gab es noch eine, die den Titel ebenso verdient hat. Silke Ahrens, heute Silke Ahrens-Rapude, Initiatorin des Theaters Life. Mit ihr und weiteren Theater-Besessenen gründete Scharbert 1989 das Theater Pur. Deshalb rief Scharbert Silke Ahrens-Rapude bei der Verleihung des Kulturpreises auch von der Bühne aus zu: „Silke, das ist auch dein Preis.“ Obwohl sich die beiden einmal einen heftigen Rosenkrieg lieferten.

Den Grundstein fürs Pur legten Scharbert und Ahrens 1984 mit zwölf Jugendlichen und dem Projekt „Wir spielen Theater“ an der Johanneskirche in Norderstedt. 1988 entstand der Theatername, 1989 folgte die Eintragung als Theaterverein und zeitgleich die Anerkennung als Kulturträger der Stadt Norderstedt. Seitdem kann die neue Theaterbühne die Säle der Stadt kostenfrei nutzen und die Veratung des städtischen Kulturbüros dazu.

Ahrens und Scharbert gründeten mit Freunden weitere Theatergruppen, vor allem Kinder- und Jugendgruppen. Das Theater Pur wurde Träger der freien Jugendhilfe, Mitglied des Landesverbands der Amateurtheater Schleswig-Holstein, ging mit Pipi Langstrumpf auf Tournee und gründete das English Theatre Curtain Call, das mit oft schwarzhumorig englischen Stücken für Zwerchfell-Massagen bei zeitgleichem Grusel sorgt.

Das ganze Genre von Grusel über Tragödien bis zu Weihnachtsmärchen

Heute stellen die Gruppen des Pur bis zu zehn Stücke pro Jahr auf die Norderstedter Bühnen und bedienen das ganze Genre von Grusel über Komödien und Tragödien bis zu Weihnachtsmärchen.

Das schafft so manche Profi-Bühne nicht, ganz zu schweigen davon, dass das Theater Pur mit seinem florierenden Kinder- und Jugendtheater die Kids von der Straße holt. Die lernen Theaterspielen, Textbücher auswendig büffeln, in andere Rollen schlüpfen, Selbstbewusstsein und Verantwortung zu entwickeln und den Willen, mit anderen Jugendlichen zusammen zu arbeiten. Freiwillig. Eine Aufgabe, an der Schulen vielfach scheitern.

Daneben bringt das Team profireife Erwachsenen-Stücke auf die Bühnen, sei es das beklemmend inszenierte und gespielte Drama „Geschlossene Gesellschaft“ von Sartre, sei es die Shakespeare-Tragödie Romeo und Julia oder die herrlich klamaukig umgesetzte Komödie „Rommé zu dritt“.

Doch es sind nicht nur die Schauspieler auf der Bühne, die das Theater in 25 Jahren nach vorn gebracht haben. Vielmehr sind es auch diejenigen, die dafür sorgen, dass überhaupt Zuschauer in die Vorstellungen kommen, die die Öffentlichkeitsarbeit leisten, die Vereinsgeschichte in den halbjährlich erscheinenden Pur-News-Heften dokumentieren, die fotografieren, schreiben, Kostüme entwerfen, Kulissen bauen und hinter der Bühne für einen reibungslosen Ablauf sorgen.

„Ich wollte mich ausprobieren, wollte wissen, was schauspielerisch in mir steckt“, sagt Michael Scharbert. Über das Ausprobieren vom Eingebildeten Kranken bis zum Türsteher und vor allem Regisseur in „Die geschlossene Gesellschaft“ ist er zum gestandenen Schauspieler avanciert.

Seit Anbeginn ist Burga Jonas dabei. „Die Komödie Arsen und Spitzenhäubchen war meine beste Rolle“, sagt die 55-Jährige. Sie gab dem Stück als Schwester Martha Profil und Drive und führte auch Regie. „Ich spiele seit 1997, seit meiner Kindheit, im Theater Pur, am liebsten in Weihnachtsmärchen“, sagt Björn Gödelt. Und verschweigt, dass er als Regisseur eine bravouröse Inszenierung von Romeo und Julia brachte.

Ann-Kathrin Hubrich ist seit 2000 dabei. Sie bezeichnet Jackie und Hyde nach Jekyll and Hyde als ihre beste Rolle. In der Tat: Sie gab alles im Charakterwechsel zwischen der guten Jackie und der bösen Hyde, eine grandiose Leistung. Damit stellte sie sich in die erste Pur-Riege von Nadine Chiara Carstensen und Kathrin Sonja Clasen, Julia Grünke und Sven Boldt, Ralf Janz und Julia Schmidt-Scherlinski.

Zum Vorstand gehören auch Mira Wulff, die sich für die Jugendgruppen einsetzt, Andreas Kostein und Bernd Meißner, Burga Jonas, Björn Gödelt und Ann-Kathrin Hubrich.

Und die nächsten 25 Jahre? „Wir wollen unser Kinder- und Jugendtheater intensivieren und Stücke auf die Bühne bringen, die ihre Probleme thematisieren“, sagt Scharbert. Zudem wolle sich der Theaterverein mit anderen Norderstedter Kulturträgern und Institutionen wie der Kirche vernetzen und Benefiz-Aufführungen für den Neubau des Frauenhauses Norderstedt geben. Chapeau! Theater Pur.

Premiere „Biografie: Ein Spiel“, Drama von Max Frisch in der Regie von Sven Boldt mit Ralf Janz, Nadine Carstensen, Antoinette Stein, Yvonne Fröhlich, Christian Lentfer und Sven Boldt. Premiere am Sonnabend, 24. Mai. Weitere Aufführungen am Sonntag, 25., Sonnabend, 31. Mai, und Sonntag, 1.Juni, jeweils 19 Uhr, Festsaal am Falkenberg, Langenharmer Weg 90. Karten zu 7,50 Euro gibt es im Vorverkauf, unter Telefon 040/60941757und unter www.theaterpur.de im Internet.