... mit Meike Rehdner. Die 34-Jährige arbeitet als Bundesförsterin. Regelmäßig ist sie mit Mischlingshündin Fina in der Kaltenkirchener Heide unterwegs

Der Ruf ist kilometerweit zu hören. „Wie eine Trompete“, sagt Meike Rehdner. Die Kraniche sind wieder unterwegs. Nicht am Himmel, sondern Hunderte von Metern entfernt im hohen Gras. Auf der riesigen Fläche am Stadtrand von Kaltenkirchen, irgendwo zwischen Autobahn 7 und Bundesstraße 4, können sich die stolzen Vögel ungestört bewegen und Nahrung suchen. Meike Rehdner hat den Geländewagen am Rand des alten Weges abgestellt, der noch aus der Zeit stammt, als die deutsche Wehrmacht hier ihre fliegenden „Wunderwaffen“ starten ließ, um den Zweiten Weltkrieg doch noch zu gewinnen. Danach kam die Bundeswehr, errichtete einen Truppenübungsplatz und probte für den Kalten Krieg. Jetzt hat Meike Rehdner hier das Sagen und achtet darauf, dass die Kraniche nicht gestört werden.

Bundesförsterin heißt ihr Job. Regelmäßig fährt sie mit Mischlingshündin Fina über das 500 Hektar große Gelände im Ortsteil Moorkaten, das der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und damit der Bundesrepublik Deutschland gehört und als ökologisch wichtiges Flora-Fauna-Habitat eingestuft wurde. Das Militär ist verschwunden; die Natur erobert Wiesen und Wald zurück, von denen 100 Hektar für besonders geschützte Pflanzen als Ausgleichsflächen für den Bau der Autobahn 20 verplant sind. Im Oktober 2007 wurden mindestens 20 Arten der Roten Liste Schleswig-Holsteins festgestellt. „Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Knorpelkrauts“, heißt es im Managementplan für das Gebiet.

Spaziergänger und Radfahrer sind in der sogenannten Kaltenkirchener Heide willkommen, unangeleinte Hunde und Autos – mit Ausnahme von Forstfahrzeugen – nicht. Erst recht nicht die vielen Motocross-Fahrer, die regelmäßig mit ihren Maschinen die ökologisch kostbaren Flächen mit ihrer finsteren Nazi-Vergangenheit durchpflügen und nicht einmal von der Polizei zu fassen sind.

Überall haben sich die Profile der Reifen in den Boden gefressen – in den Sand der weiten Heideflächen am Stadtrand, in den Waldboden weiter westlich und in die alten Bombentrichter, die entstanden, als die Briten und Amerikaner 1945 den Wehrmachtsflughafen bombardierten, um die deutschen Düsenflieger vom Typ Messerschmidt zu zerstören. Ein Teil des Straßensystems und der Startbahn haben den Angriff intakt überstanden. Meike Rehdner kann sie noch heute mit dem Geländewagen der Forstbehörde nutzen. Der Weg führt an mehr als 24 Island-Ponys vorbei, die auf einem abgezäunten Gelände das Gras kurz halten. Früher durften sich hier auch Schafe satt fressen, doch sie verschmähten die vertrockneten Halme. Die Ponys erweisen sich als weniger wählerisch.

Meike Rehdner sorgt sich, dass sich der Borkenkäfer noch weiter ausbreitet

Mit dem Honda und der sieben Jahre alten Fina im Heck fährt Meike Rehdner durch den bewaldeten Teil des Habitats. Noch immer liegen die Bäume auf dem Boden, die von den Orkanen „Christian“ und „Xaver“ im vergangenen Jahr entwurzelt worden sind. Fachleute wie Meike Rehdner sprechen von „Windwurf“, dem in Moorkaten 1000 Bäume zum Opfer fielen. Die Holzbetriebe sind seit Monaten pausenlos beschäftigt, die Bäume zu zerlegen und abzutransportieren, doch es müsste schneller gehen. Meike Rehdner sorgt sich, dass sich der Borkenkäfer mit zunehmender Wärme noch weiter ausbreitet und die ohnehin großen Schäden im Wald potenziert.

Sven Dammann ist seit den beiden Stürmen fast jeden Tag mit seinem Spezialfahrzeug in dem kleinen Wald unterwegs. Extrabreite Reifen und geringer Luftdruck sollen Schäden auf dem Waldboden verhindern. Der kleine Harvester mit Greifer und automatischer Säge ist auf den sogenannten Rückegassen unterwegs, die angelegt für Forstfahrzeuge in jeweils 20 Metern Abstand durch den Wald führen. Dammann und seine Kollegen sind seit Monaten ausgebucht. „Dabei muss es jetzt sehr schnell gehen“, sagt die Bundesförsterin.

Die 34-Jährige hat Forstwirtschaft in Göttingen studiert und arbeitet seit Jahren in den Forsten des Bundes. Einige Fläche gehören der Bundespolizei, viele werden von der Bundeswehr genutzt. Vor einem Jahr kam sie in den Norden. Ihr Revier umfasst große Areale im Süden Schleswig-Holsteins. Sie ist unterwegs zwischen dem Elbe-Lübeck-Kanal und dem ehemaligen Grenzgebiet bei Gudow bis nach Kaltenkirchen.

Im Wald steht eine Rampe , dessen Bedeutung bis heute unerforscht ist

Ihr Weg führt durch den Teil des Waldes, der teilweise als Denkmal eingestuft ist und dessen Idylle nicht zu seiner grausigen Nazi-Vergangenheit passen will. Am Rand des Geländes steht die Gedenkstätte für das Konzentrationslager Springhirsch. Wenige 100 Meter weiter südlich hatte die Wehrmacht ein Krankenlager für Kriegsgefangene errichtet, das nur wenige lebend verließen. Im Wald stehen eine Rampe und ein kleiner Bunker, deren Bedeutung bis heute unerforscht ist. Immer wieder ist die Rede davon, dass sich noch ein unentdecktes Massengrab im Boden befinden soll. Viele KZ-Häftlinge starben, als sie für die Messerschmidts die Startbahnen verlängern sollten und Schutzgräben aushoben.

Auch hier haben die Motocross-Fahrer ihre Reifenspuren hinterlassen. „Die Fahrer handeln respektlos“, sagt Meike Rehdner. „Ob die Flächen historisch bedeutsam sind, interessiert sie nicht.“ Die Fahrer machen sich vermutlich auch wenig Gedanken darüber, dass sie das Wild verschrecken und die Baumwurzeln beschädigen. Viele Fahrer fahren ohne Nummernschild. Ein Jäger, der im Auftrag der Försterin im Wald unterwegs war, wurde von mehreren Fahrer massiv bedrängt und lässt sich seitdem dort nicht mehr blicken. „So kann es nicht weitergehen“, sagte Meike Rehdner. Doch bislang hat niemand eine Lösung gefunden, wie man die Fahrer stoppen kann.

Auch ein geordnetes Training der Motocross-Fahrer, wie sie der Motorsportclub Kaltenkirchen wünscht, kommt für die Fachleute nicht infrage. „Die Naturschutzbehörden haben den Plan abgelehnt“, sagt Meike Rehdner. Wahrscheinlicher ist dagegen der Bau eines Geh- und Radwegs, den die Stadt Kaltenkirchen wünscht, sowie ein Geschichtslehrpfad, den der Trägerverein der KZ-Gedenkstätte plant. „Verträglich“ nennt Maike Rehdner eine solche Nutzung.