Pastor Wallmann hat einen Historiker eingeladen, der über das grauenhafte Schicksal der Menschen in Sträflingskleidung berichtet

Norderstedt. Manche Norderstedter erinnern sich vielleicht noch: Mitte April 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zog ein armseliger Trupp die Ulzburger Straße hoch. Häftlinge des Konzentrationslager Fuhlsbüttel wurden durch die zentrale Straße der damaligen Gemeinde getrieben – dort, wo sich heute der Verkehr staut.

Es war ein Bild des Schreckens: Die Menschen in Sträflingskleidung waren krank und ausgehungert. Wer zurückblieb, der sollte erschossen werden. Ziel war die Stadt Kiel und das dortige „Arbeitserziehungslager Nordmark“, bewacht wurden die Sträflinge von der SS.

Dieser „Evakuierungsmarsch“ ist nur einer von zahlreichen Todesmärschen von KZ-Häftlingen, mit denen die SS-Wachmannschaften in der Endphase des Zweiten Weltkriegs zwei Ziele verfolgten: Sie entzogen die Beweise ihrer grauenhaften Verbrechen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern den heranrückenden alliierten Truppen durch die Beseitigung der Opfer und versuchten zumindest zum Teil, die Arbeitskraft der Häftlinge für andere Lager zu erhalten.

Der Norderstedter Pastor Eckhard Wallmann von der Johanneskirchen-Gemeinde in Friedrichsgabe lädt für Mittwoch, 7. Mai, zu einem interessanten historischen Vortrag ein. Von 20 Uhr an wird der Bordesholmer Lehrer und Historiker Uwe Fentsahm über den „Evakuierungsmarsch“ vom Konzentrationslager Fuhlsbüttel nach Kiel im Gemeindehaus an der Bahnhofstraße77 einen Vortrag halten; der Eintritt ist frei. Uwe Fentsahm, geboren 1956 und seit 1985 Lehrer in Preetz, hat mehrere Publikationen zu regionalgeschichtlichen Fragen und zum Thema Zwangsarbeit verfasst.

Von Fuhlsbüttel aus machten sich am 12. April mehrere Hundert Häftlinge in mehreren Gruppen auf den Weg Richtung Kiel. Das Konzentrationslager Fuhlsbüttel, im Volksmund auch Kolafu genannt, wurde ab März 1933 innerhalb des Gebäudekomplexes der Strafanstalt Fuhlsbüttel errichtet und bestand bis zum April 1945, es unterstand der Verwaltung der Gestapo. Die eigentliche Haftanstalt Fuhlsbüttel mit Gefängnis und Zuchthaus für Männer existierte über den gesamten Zeitraum parallel und wird seit 1945 als Justizvollzugsanstalt weitergeführt.

Bereits kurz nachdem sich der Marsch in Richtung Ochsenzoll in Bewegung gesetzt hatte, ist es zu Zwischenfällen gekommen, weil Häftlinge nicht weitergehen konnten oder fliehen wollten – es gab die ersten Erschießungen. Das Ziel des ersten Marschtages war Kaltenkirchen; als Unterkünfte dienten die Scheune des Bauern Bernhard Möller an der Königstraße sowie die Durchfahrt und der Pferdestall von Hüttmanns Gasthof an der Schützenstraße. Auch hier in Kaltenkirchen gab es zwei Tote. Bereits der Alvesloher Lokalhistoriker Gerhard Hoch konnte durch die Einsichtnahme in Unterlagen des Standesamtes Kaltenkirchen die Identität der Toten klären.

Nach dem Krieg wurden einige der verantwortlichen Täter zum Tode verurteilt, andere kamen mit glimpflichen Strafen davon.