In unserer Serie Menschen in der Kirche stellen wir den ehemaligen St.-Annen-Pfarrer Rudolf Kemme vor, der vor wenigen Tagen verabschiedet wurde

Hamburg/Norderstedt . Mit der Gründung der neuen Pfarrei St. Katharina von Siena ist das Berufsleben von Rudolf Kemme beendet. Der 70-Jährige ist seit Dienstag nicht mehr für die Gläubigen der katholischen Kirchengemeinde St. Annen zuständig. Er ist Ruheständler und wird in Kürze aus dem Pfarrhaus am Schmuggelstieg ausziehen. Sein Ziel ist auch schon klar: Kemme zieht in sein Haus in der Nähe von Plön. Bevor er sich aber in Schleswig-Holstein häuslich einrichten kann, wird er noch eine Kur antreten, sagt der Pfarrer, denn er sei in den vergangenen Monaten ernsthaft krank gewesen.

Dass seine Gemeinde zwischen Norderstedt und Hamburg, in der er seit 1996 gewirkt hat, dann ohne Pfarrer vor Ort ist, müsse kein Mangel sein. „Es gibt eine ganze Menge Engagement“, sagt er. Das mache ihn einigermaßen zuversichtlich, dass das Gemeindeleben weitergeht, wenn St. Annen von den beiden Geistlichen der neuen Pfarrei mitversorgt wird.

Er selbst, der aus dem Osnabrücker Land stammt, wollte von Kindesbeinen an Pfarrer werden. „Sicher gab es Zeiten, in denen es schwer und mühsam war“, sagt er rückblickend. Die Berufswahl habe er gleichwohl nie bereut. „Natürlich waren die Missbrauchsgeschichten eine bittere Angelegenheit, da ist eine Menge Vertrauen flöten gegangen“, sagt Kemme. Das sei ein großes Problem, denn: „Man kann als Priester nicht arbeiten, wenn man nicht dieses Vorschuss-Vertrauen hat.“ Ihm selbst sei dieses Vertrauen jedoch immer entgegengebracht worden, und das sei wohl auch ein Grund dafür, warum ihm die Arbeit immer Freude bereitet habe. Dass die Menschen heute meinten, sehr viel leichter als früher auf den Glauben verzichten zu können, macht ihn nachdenklich. „So sehr zuversichtlich bin ich nicht“, sagt er im Hinblick auf die Lage seiner katholischen Kirche insbesondere in Europa.

Kemme studierte in den 60er-Jahren in der Zeit des Vatikanischen Konzils Theologie und erlebte dabei in Münster auch den späteren Papst Benedikt XVI. „Damals galt er durchaus als progressiv“, sagt Kemme über seinen damaligen Professor Joseph Ratzinger, der als Konzilsberater an dessen Reformen beteiligt war. „Das hat auch abgefärbt.“ Kemme wurde 1968 zum Priester geweiht und trat seine erste Stelle in Twistringen bei Bremen an. Nach Schleswig-Holstein kam er ursprünglich nur für eine Stelle, um die Diaspora kennenzulernen. „Und dann bin ich hier hängen geblieben“, sagt der Pfarrer mit einem Lächeln auf den Lippen.

Kemme wurde später Kaplan in Wedel, Stadtjugendseelsorger in Lübeck und war als Pfarrer in Kiel auch für Preetz mit zuständig. Damals lernte er auch den Kreis Plön kennen, wo er nun seinen Ruhestand verbringen wird. So ganz ohne Kirche wird es für ihn dort nicht gehen. „Es gibt überall, auch in der Ecke, wo ich dann wohnen werde, einen Mangel an Priestern“, sagt er. „Ich freue mich aber auch darauf, dass ich dann einmal ohne Verpflichtungen bin.“