Sie können Leben retten: Die Henstedt-Ulzburgerin Anja Rath bildet Diabeteswarnhunde aus

Henstedt-Ulzburg. Lara, 14, setzt sich auf einen Gartenstuhl und schaut sich um. Sie weiß: Jetzt schlägt die Stunde von Attila. Jetzt soll der ein Jahr alte Labrador-Rüde zeigen, was er in den vergangenen neun Monaten im Hundeausbildungszentrum Happy animals bei Anja Rath, 47, gelernt hat.

Die Haustür geht auf, sofort läuft Attila auf Lara zu. Er schnuppert an ihr herum, leckt ihr Gesicht ab, legt eine Pfote auf ihren Oberkörper und bellt laut. Er riecht, dass Lara ein T-Shirt mit den Symptomen einer Unterzuckerung trägt und zeigt das an. Zum Dank gibt es ein Leckerli.

Lara Posselt aus Wustrow im Wendland erkrankte im März 2013 an Diabetes Typ1 – einem Leiden, das nicht heilbar ist. Mehrmals am Tag muss sich Lara Insulin spritzen. „Wenn man das vergisst, kann man ins Koma fallen und sterben“, sagt ihre Mutter Anke. Attila weicht der jungen Diabetikerin 24 Stunden lang nicht von der Seite, und sollte sie irgendwann einmal nicht in der Lage sein, sich selbst zu helfen, könnte er auch einen Notruf auslösen.

Anke Posselt, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, hatte von einer Reportage bei „Stern TV“ über sogenannte Hypohunde gehört und Kontakt zu Anja Rath aufgenommen. Seit Juli 2013 fährt sie an zehn Wochenenden die insgesamt 330 Kilometer lange Strecke von Wustrow nach Kisdorf und zurück. Bei Anja Rath wird Attila zum Diabeteswarnhund ausgebildet.

Die erfahrene Ausbilderin, selbst Mutter eines an Diabetes Mellitus Typ 1 erkrankten Sohnes, sagt: „Diabeteswarnhunde bereichern, erleichtern und retten Leben.“ In ihrem Ausbildungsseminar lernen die an Diabetes erkrankten Kinder und Erwachsenen, mit ihren Hunden ein echtes Team zu werden. Sie werden unter anderem darauf trainiert, den Über- oder Unterzuckergeruch ihrer Menschen wahrzunehmen und anzuzeigen.

Auch Elisabeth Pitz aus Padenstedt, die seit zehn Jahren unter Diabetes leidet, fühlt sich von ihrer Golden-Retriever-Hündin gut beschützt. Nahla ist immer an ihrer Seite. Elisabeth erzählt von einem Vorfall, der sie nach eigenem Bekunden vor Schlimmerem bewahrt hat: „Ich saß im Schlafzimmer im ersten Stock auf meinem Bett. Plötzlich bellte mein Hund im Erdgeschoss und raste die Treppe hoch. Er roch eine Unterzuckerung, von der hatte ich noch gar nichts bemerkt. Sofort konnte ich Gegenmaßnahmen einleiten. In seiner Gegenwart fühle ich mich sicher.“

Zwölf Jahre alt war Marcel, heute 17, als Diabetes Typ 1 bei ihm ausbrach. Er musste sich mit dieser Erkrankung erst einmal „anfreunden“, er fühlte sich überfordert. Heute, sagt Mutter Anja Rath, „möchte er auf seinen Freund und Begleiter nicht mehr verzichten.“ Alf-Adom, ein vierjähriger Wolfspitz, heißt sein Helfer, der in einer entfernteren Hundeschule ausgebildet wurde. „Hat Marcel Unterzucker, merkt sein Gefährte es sofort und zeigt es an“, sagt Anja Rath.

Gerade haben bei ihr drei Diabeteswarnhunde und ein Assistenzhund erfolgreich die Prüfung abgelegt. „Ein wenig Wehmut ist schon dabei“, sagt die Ausbildungsleiterin. „Der erste Kursus mit seinen Hunde-Mensch-Teams wächst einem schon sehr ans Herz.“ Im Mai sind Attila und Nahla mit der Zwischenprüfung an der Reihe, und der dritte, 4500 Euro teure Kursus, startet Ende Mai.

Dann ist vielleicht auch Kai Becker aus Wedel dabei. Er ist seit gut einem Jahr Diabetiker Typ 1 und war beim Seminar vor einigen Tagen mit seiner Frau Karin aufmerksamer Beobachter. „Ich bin erstaunt, was man aus so einem Tier herausholen kann“, sagte der Rehatechniker. Jetzt wollen sie sich auf die Suche nach einem geeigneten, reinrassigen Hund machen.

Der muss Motivationsbereitschaft zeigen, freundlich gegenüber Menschen sein, wesensstark, eine hohe Reizschwelle besitzen, keine Aggressionen und Angst zeigen. „Wenn Familie Becker es wünscht, helfe ich gerne bei der Suche“, sagt Anja Rath.

Hundeausbildungszentrum Anja Rath, Telefon 04193/965622, www.happyanimals.net