Eine Glosse von Wolfgang Klietz

Das ging ja fix. Der Herbst dauerte bis März, und jetzt ist er da – der Frühling, der sowas von einem Frühstart hinlegte und flott übers Land zog wie Putin auf die Krim oder Sigmar Gabriel ans Büfett. Der April, der macht was er will – und in diesem Jahr wollte er gern Mai sein. Die Folge: Natur und Mensch geraten früh in Aufruhr. Auf dem Land dominiert das Gelb von Raps, Löwenzahn und Leuchtwesten der Radfahrer. In Wald und Flur laben sich Hase und Reh an einem frischen Quell und an ihrem Geschlechtspartner.

Auch in den landestypischen Reihenhaussiedlungen spüren die Einheimischen das Frühlingserwachen. Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen traut sich nach langer Winterpause das Krakehlchen weg von Couch und Super-RTL ins Freie und richtet das Nest für die Brut und die nächste Grillfete. Dabei lässt das Krakehlchen, das zur Rasse der possierlichen Brüllzippe gehört, auch die Nachbarschaft an Lebensfreud und -leid ganz natürlich teilhaben.

„Bärchen, ham wiä noch kaltes Biä?“, schallt es zum Beipiel über Krakehlchens Terrasse, während Bärchen in kurzen Hosen und Ich-war-als- Kind-schon-Scheiße-T-Shirt den Schweinenacken über der Glut gart. Auch für den Nachwuchs findet das Krakehlchens stets ein aufmerksames Wort: „Max-Sergio, wänn du nich glaich das Spielzeuch wechroimst, krich ich einen Blutrausch!“ Dabei trägt das Krakehlchen eine Sonnenbrille mit Gläser groß wie Suppenteller und erinnert ein wenig an eine Fliege unterm Elektronenrastermikroskop.

Wenn die Sonne hinter der Thuja- Hecke verschwunden ist und das Krakehlchen vom Tagewerk ermattet nur noch leise brummelt „Zwischn Lebär und Milz passt immer noch’n Pils“, erinnern sich die Nachbarn an die Zeit, als es in diesem Frühling draußen einmal ganz still war. Das war Ostermontag, so gegen 6 Uhr.