Unterschriftensammlung und Protestbriefe: Anwohner wehren sich gegen Umbenennung ihrer Straße in Berliner Allee

Norderstedt. Die bloße Diskussion zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung, einen Teil der Kohfurth in Berliner Allee umzubenennen, bringt die 653 Anwohner des betroffenen Straßenstücks in Rage. Hintergrund: Weil die Berliner Allee auf Höhe der Garsteder Feldstraße nahtlos in die Kohfurth übergeht, soll der Straßenverlauf bis zum neu gebauten Kreisel im Garstedter Dreieck Berliner Allee werden. Unserem Aufruf vom Sonnabend folgten etliche unserer Leser und gaben ihre Meinung zum Thema ab.

Reinhard Hübscher, 75, ist 1969 in das Haus an der Kohfurth 22 eingezogen. Und auch knapp 45 Jahre später findet er immer noch ganz gut nach Hause, sagt er. „Die Rettungsdienste haben kein Problem, uns zu finden. Also was soll die Umbenennung? Die ist völlig überflüssig!“ Er kann es nicht fassen, dass die Stadt mit Formalismen diese Umbenennung begründet. „Was soll dieses Argument, dass die Kohfurth ,gefühlt’ immer schon die Berliner Allee war? Ich habe nie so gefühlt!“

Rita Greene, seit sieben Jahren Anwohnerin der Kohfurth, ist so entrüstet über die Idee, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Unterschriftensammlung starten will. „Die Kohfurth ist plattdeutsch. Ich finde den Namen so toll, dass ich damals auch aus diesem Grund hierher gezogen bin.“ Der Name müsse unbedingt erhalten bleiben. „Durch solche Straßennamen lebt das Platt weiter. Ständig fragen mich Leute, was Kohfurth heißt, und dann bringe ich ihnen Plattdeutsch bei.“ Unterstützt wird Greene in ihrer Aktion von Platt-Autorin Christa Heise-Batt. „Ich werde mit Listen durch die Nachbarschaft gehen und Unterschriften gegen diese sinnlose Planung sammeln.“

In einem Offenen Brief wendet sich die „Eingeborene“ Hildegard Waack an Stadtbaudezernent Thomas Bosse: „Dass der Kohfurth in die Berliner Allee übergeht, ist ein Kuriosum, das unsere Geschichte – vier Dörfer werden eine Stadt – dokumentiert. Über die Kuhwiese zum Herold-Center, so war das damals in den siebziger Jahren. Wir haben schallend gelacht, als Straßennamen wie Berliner Allee und Europaallee auftauchten, nur weil ein Einkaufs-Centrum mit vier Wohntürmen gebaut wurde.“ Bereinigt werden müsste am Kohfurth nichts, die Stadt solle die „Kirche im Dorf lassen“, schließt Waack. Margarete Nicks, 90: „Ich wohne seit 60 Jahren an der Kohfurth. Ich kann nicht verstehen, wie man nach all der Zeit auf die Idee kommen kann, die Straße umzubenennen. Das ist die pure Zeit- und Geldverschwendung!“ Nachbarin Barbara Strasser urteilt: „Viel Aufwand für Betroffene und Stadtverwaltung, ohne eine zwingende Notwendigkeit.“ Ursula Deutmann, 67, vor einem Jahr aus ihrem Haus in Garstedt an die Kohfurth gezogen: „Da stehen die Gründe in keinem Verhältnis zum Aufwand.“

Horst Brandes, 83, hat in seinem Wohnhaus Kohfurth 14 die Nachbarn informiert. „Die lesen ja nicht alle Zeitung. Die reagierten alle entsetzt darüber, dass man ihnen die Adresse Kohfurth wegnehmen will.“ Brandes ist 1998 an die Kohfurth gezogen. „Die Umbenennung wäre eine Unverschämtheit gegenüber dem Bürger. In meinem Alter ist die Zeit kostbar. Die möchte ich nicht damit verbringen, auf dem Amt meine Papiere ändern zu lassen.“ Er befürchtet, dass Politik und Verwaltung den Plan ohne Rücksicht auf die Meinung der Bürger durchziehen werden. „Die müssen sich nicht wundern, wenn die Leute politikverdrossen sind.“

Nur Kosten, Zeitverschwendung und keinen Nutzen sieht Robert Nessler, 67, in der drohenden Umbenennung seiner Straße. „Hier wohnen ja viele alte Menschen. Wir mussten schon häufig den Krankenwagen rufen, und nie gab es irgendwelche Probleme mit der Adresse.“ Nessler lebt seit dem 1. Juli 1972 an der Kohfurth 18. Aus seiner Sicht muss das auch so bleiben.

„Wie langweilig muss unseren Stadtvertretern eigentlich sein, um derartiges Gedankengut in die Welt zu setzen?“, fragt sich Norbert Konarske, Anwohner der Kohfurth 24. Die Umbenennung sorge dafür, dass Navis Adressen nicht mehr finden und Autofahrer im Viertel umherirren würden. „Warum sollen ohne zwingende Notwendigkeit über Jahrzehnte gewachsene Strukturen zerstört werden?“

Die Händler des Gewerbegebietes an der Kohfurth sind wenig begeistert von den Plänen. „Nach meinem jetzigen Kenntnisstand gibt es keine wirklich triftigen Gründe für die Umbenennung“, sagt Jan Hayunga, Geschäftsführer des Edeka-Marktes an der Kohfurth 15. „Für uns Händler ist so eine Adressänderung doch mit ziemlichen Kosten verbunden. Ich würde es begrüßen, wenn sich die Verantwortlichen bei der Stadt das noch mal gut überlegen.“