Jedes Jahr im Oktober führt die Plattdütsche Bühn’ Tangstedt ein Theaterstück auf. Wer sucht den Titel aus? Wer sind die Darsteller? Wer schneidert die Kostüme? Wer baut die Kulissen? Wo und wie oft wird geprobt? Wer hat das Sagen? Darüber berichten wir in mehreren Folgen. Heute: Die Suche nach dem Stück, die Rollen, die erste Lesung.

Karoline thront im Sessel des Hausherrn und macht einen zufriedenen Eindruck. Die niedliche Babypuppe ist Dreh- und Angelpunkt in dem Theaterstück „Un nüms will de Vadder sien“ („Und keiner will der Vater sein“), das die Plattdütsche Bühn’ Tangstedt im Oktober im Alten Heidkrug in Kayhude aufführen wird.

Und weil Karoline in dem niederdeutschen Lustspiel von Walter G. Pfaus die Hauptrolle spielt, erhielt sie bei Angelika und Georg Sellhorn am Hans-Stender-Weg in Tangstedt auch einen Ehrenplatz.

Angelika hatte die Puppe beim Stöbern im Norderstedter Gebrauchtwarenhaus Hempel entdeckt, sich in sie verliebt und sofort gekauft. Ehemann Georg, 61, hatte nichts gegen das neue „Familienmitglied“ einzuwenden. Auch nicht, als er sah, dass Karoline plötzlich die Babysachen von Sohn Markus, heute 35 Jahre alt, trug. Die hat Angelika all die Jahre in einer Truhe aufbewahrt.

Im Hause Sellhorn laufen, wenn es um die Plattdütsche Bühn’ geht, alle Fäden zusammen. Georg, hauptberuflich als Betriebsleiter auf dem Bauhof in Tangstedt im Einsatz, für Abwassertechnik, Kanalisation und mehrere Pumpwerke zuständig, ist Regisseur und Chef der engagierten Theatergruppe, die einmal im Jahr zur Aufführung lädt. „Wir wollen dem Publikum einen heiteren, fröhlichen Abend bieten, an dem es lachen und so den Alltagsstress für ein paar Stunden vergessen kann“, lautet das Motto.

Das Volksstück „Een Arvshop to’n Gniggern“ war ein voller Erfolg

„Nach dem Applaus ist vor dem Applaus“, sagte sich Georg Sellhorn, als im Oktober vergangenen Jahres im Alten Heidkrug der letzte Vorhang fiel. Das Volksstück „Een Arvshop to’n Gniggern“ war ein voller Erfolg.

„Aber was führen wir im nächsten Jahr auf?“, fragte er sich und nahm kurze Zeit später Kontakt zum Verlag Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten GmbH mit Sitz in Norderstedt auf.

Alleinentscheider Sellhorn („Ich leite hier eine Art Demokratur“) ließ sich verschiedenes Lesematerial schicken und schlug nach eifriger Überlegung zum zweiten Mal in Folge bei einem Stück des bekannten Theater- und Kriminalautors Walter G. Pfaus (Blaubeuren) zu. Der lieferte die Urfassung, Klaus Lensch hat das Lustspiel ins Plattdeutsche übersetzt. „Ich bin sicher, dass die Besucher viel zu lachen haben“, glaubt Georg Sellhorn, denn er hat schnell erkannt: Eine Klamotte ist das nicht. „Wir spielen nur einmal im Jahr Theater und dürfen unser Image nicht verderben.“

Also ran an das „Lustspeel in dree Törns“ mit Karoline als Hauptperson. Georg Sellhorn bestellte sich beim Verlag insgesamt zwölf Rollenbücher – je eines für die zehn Akteure, für die Souffleuse Hannelore Roden und für sich selber. Aber wer wird im Oktober auf der Bühne stehen? Wer spielt den Brautvater, wer die schwangere Braut, wer den Opa, wer den Bräutigam und wer den misstrauischen Polizeiwachtmeister? Zehn Rollen sind zu verteilen.

Drei, vier Tage haben sie Zeit, sich in das Theaterstück einzulesen

Georg Sellhorn überlegte nicht lange. Er kennt seine Pappenheimer, er weiß um ihre Talente, ihre Stärken und ihre Schwächen. Schnell war das Ensemble komplett. Einige Tage später steckte er jedem Crewmitglied das Rollenbuch in den Briefkasten. „Aktuell hat der Verein 33 aktive Mitglieder. Von denen trauen sich 23 auf die Bühne, der Rest arbeitet im Verborgenen“, hat der „Demokrator“ errechnet.

Drei, vier Tage haben sie Zeit, sich in das Theaterstück einzulesen. Dann wird es ernst, sie treffen sich im Haus der Sellhorns zur ersten Leseprobe. Eineinhalb Stunden arbeiten sie sich durch die 84 Seiten des Rollenbuches, jeder ist mit großem Eifer bei der Sache.

Aber nicht alle können auch Plattdeutsch sprechen. Ruth Flachshaar aus Bargteheide, die die Mutter des Bräutigams spielt, gesteht das freimütig ein, aber sie ist lernfähig. „Alte Hasen“ wie Raymund Haesler, der seit 1993 Vereinsmitglied ist und viele Rollen gespielt hat, haben es leichter. „Ich werde mir die Akteure, die noch einen Nachholbedarf haben, in den nächsten Tagen und Wochen zu Einzelgesprächen nach Hause einladen“, sagt Sellhorn. „Das habe ich in der Vergangenheit schon oft gemacht und damit gute Erfahrungen gesammelt.“

Georg Sellhorn spielt den Opa, vor dessen Haus ein Baby gefunden wird

Der Chef hat viele Auftritte hinter sich und will bald kürzertreten. Aber dieses Mal ist er wieder dabei. Georg Sellhorn spielt den Opa, vor dessen Haus in einer Tragetasche ein fremdes Baby liegt.

Das kann ja lustig werden: „Un nüms will de Vadder sien“ – und keiner will der Vater sein...