Politik und Verwaltung wollen die Kohfurth zur Berliner Allee machen. Neue Adressen für 653 Bürger?

Norderstedt. Mit kaum einer stadtplanerischen Idee kann man den Bürger so schnell auf die Palme bringen, wie mit der Umbenennung von Straßen. Aber für das, was Kommunalpolitik und Norderstedter Bauamt derzeit diskutieren, wird es gar nicht genügend Palmen geben, um all die zu erwartenden aufgebrachten Bürger zu versorgen.

653 Norderstedter, Mieter, Eigentümer und Kaufleute, leben oder arbeiten auf dem Teilabschnitt der Kohfurth zwischen dem Garstedter Feldweg und dem im Norden neu entstandenen Kreisel zum Baugebiet Garstedter Dreieck. Es liegen 56 Gewerbebetriebe an der Kohfurth, darunter Lidl, Aldi, Edeka, das Futterhaus und das Dänische Bettenlager. Und ihnen allen könnte nun die Kohfurth als Adresse genommen und durch die Adresse Berliner Allee ersetzt werden. Wohlgemerkt: könnte. Denn noch ist es nicht entschieden.

Es gibt laut Auskunft der Stadtverwaltung keine erheblichen Gründe, die für eine Umbenennung des Teilstückes der Kohfurth sprechen. Es ist also nicht so, dass die Rettungsdienste sich im unlogisch angeordneten Hausnummern-Wirrwarr nicht mehr zurecht finden oder dass auf der Kohfurth in großem Umfang Neubebauung hinzu gekommen wäre, weswegen die Neuordnung nötig erschiene.

„Es ist lediglich aus der Sicht des Städtebauers völlig richtig, den Charakter der Berliner Allee in Ordnung zu bringen“, sagt Baudezernent Thomas Bosse. „Und Politik und Verwaltung müssen abwägen, ob diese Neuausrichtung der städtebaulichen Situation ausreichend wichtig ist, um sich den Ungemach Hunderter Bürger zuzuziehen.“

Gefühlt ist die Kohfurth für viele schon längst die Berliner Allee

In der Tat ist die „städtebauliche Situation“ an dieser Stelle Garstedts ungewöhnlich. Wer von Süden am Herold-Center vorbei die Berliner Allee nach Norden fährt, der ist plötzlich hinter der Einmündung der Garstedter Feldstraße auf der Kohfurth. Obwohl sich die Straße schnurgerade ohne Unterbrechung fortsetzt, bis sie hinter der Abzweigung der Stettiner Straße auf den gerade neu gebauten Kreisverkehr im künftigen Baugebiet des Garstedter Dreiecks stößt. Gefühlt ist die Straße bis hier hin die Berliner Allee. Sie heißt aber Kohfurth – und das schon seit Jahrzehnten. Das Garstedter Gewerbegebiet, dem die Straße den Namen verlieh, ist das älteste der Stadt.

Geboren wurde die Idee für die Umbenennung im interfraktionellen Ausschuss. Dort werden die Benennung oder Umbenennung von Straßen mit Vertretern der Fraktionen der Stadtvertretung und der Verwaltung diskutiert. Und zwar nicht öffentlich. Früher gab es unglaublich viel Streit zwischen den Parteien, die alle ihre Favoriten für die Straßenwidmung durchsetzen wollten. Dabei wurden öffentlich schon mal verdiente Mitbürger vom jeweils politischen Gegner diffamiert. Der nicht öffentliche Ausschuss machte Schluss mit dieser Peinlichkeit. Erst wenn es Einigkeit gibt über einen Straßennamen, wird er zur finalen Abstimmung mit dem Bürger und der gesamten Stadtvertretung frei gegeben. Zuletzt im Februar drehte sich die Diskussion in diesem Ausschuss um neue Namen für den nördlichen Teil des Flensburger Hagens, der fortan Flensburger Kehre heißen soll.

Die Bewohner am Flensburger Hagen haben das selbe Schicksal

Die Bewohner, die in dem Neubaugebiet erst vor einem halben Jahr ihre neuen Adressen bezogen hatten und sie jetzt schon wieder ändern sollen, tauchten zu Recht empört am 3. April im Stadtentwicklungsausschuss auf, um zu protestieren. Ihnen wurde sinngemäß beschieden, dass sich in ihrem Gebiet leider durch zusätzliche Neubauten eine unlogische Nummerierung ergeben hatte, die von Rettungsdiensten als problematisch gesehen würde. Im Übrigen solle man sich nicht so haben, denn an der Kohfurth seien demnächst doppelt und dreifach so viele Leute von Adressänderungen betroffen. Doch dieses brisante Thema schlich sich nur in Form einer dem Protokoll beigefügten Mitteilungsvorlage in die Öffentlichkeit. Da steht sogar feinsäuberlich drin, dass alle entstehenden Kosten für neue Briefbogen, Beschilderung, Fahrzeugscheine, die Internetdarstellung der Betriebe, die Ummeldungen bei Banken, Versicherungen, Kunden und Lieferanten von den betroffenen Anliegern beglichen werden müssen. Die gute Nachricht: Die Ummeldung im Einwohnermeldeamt, inklusive Personalausweis und Reisepass, ist kostenfrei! Ebenso die Erstellung des neuen Hausnummern-Attestes! Als Bonus gibt es die Weiterleitung der geänderten Adressen zu den Stadtwerken, zum Finanzamt und zum Katasteramt noch obendrauf.

Die Politik spricht von einer „adressbildenden Maßnahme“

Wer in der Kommunalpolitik nachfragt, stößt beim Thema Kohfurth auf vorsichtige Zurückhaltung. Norbert Pranzas von den Linken nennt die Umbenennung der Kohfurth eine „adressbildende Maßnahme, die durchaus Logik in die Nummerierung der Straße bringt“. Der Aufwand, der dagegen stehe, müsse abgewägt werden. Am besten öffentlich, mit den betroffenen Bürgern. Arne-Michael Berg von der CDU stellt sich ebenfalls die Frage der Verhältnismäßigkeit und ist sich nicht sicher, ob die Politik dem „Wunsch der Verwaltung auf Umbenennung“ eine Mehrheit bescheren wird.

Die Stadtverwaltung schlägt vor, die Beschlussvorlage zur Umbenennung der Kohfurth in der Sitzung des Verkehrsausschusses am 15. Mai oder am 5. Juni zu beraten und zwar so: „Da mit einem regen Interesse der Anwohner gerechnet wird, schlägt die Verwaltung vor, dass die Ausschusssitzung in der Aula der Horst-Embacher-Schule (Aurikelstieg 13) stattfindet.“ Nicht vergessen: Palmen besorgen!