Die Fielmann AG spendete Bad Segeberg zwei Gemälde, die der Segeberger Künstler gemalt hat, für die Storch-Galerie im Rathaus der Kreisstadt

Kreis Segeberg. Er kam in der üblichen Pose von Malerfürsten daher, mit schräg aufgesetztem schwarzen Hut mit breiter Krempe und breitem Rispenband, mit Schnauzer, und, wenn er in seinem Atelier saß, mit Mütze auf dem schlohweißem Haar. Vor 150 Jahren gab man sich so, besonders als Künstler. Karl Storch war dieser Maler, und die Kreisstadt feiert jetzt den 150.Geburtstag des Künstlers, den sie neben dem Holzbildhauer Otto Flath vorzuweisen hat.

Droht dessen Werk langsam in Vergessenheit zu geraten, so erlebt Karl Storch zu seinem Geburtstag einen Boom, der jetzt mit der Spende von zwei Storch-Werken gekrönt wird. Die Fielmann AG, die ohnehin die Galerie mit Storch-Werken im Alten Segeberger Rathaus finanzkräftig unterstützt, ist auch diesmal die Spenderin.

Jana Herrmann und Jürgen Ostwald vom Brillenhersteller Fielmann überreichten Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld die Gemälde, die einmal die Segeberger Altstadt mit Kalkberg zeigen, zum anderen den Blick über den See zu einem Bauerngehöft in Stipsdorf. Eingefädelt wurde die Spende von Peter Zastrow, Erforscher der Segeberger Geschichte, der seine guten Kontakte zu Jürgen Ostwald spielen ließ. Die Bilder kommen aus Privatbesitz. Zastrow sieht Storch sogar auf einer Ebene mit den berühmten Malern Max Liebermann und Paul Cassirer.

Wer aber war dieser Mann, der vor 150 Jahren zur Welt kam und mit Vorliebe die Region um Segeberg herum malte, den Kalkberg und den Großen Segeberger See, die Altstadt und die Marienkirche.

Karl Christian Theodor Storch der Ältere wurde am 28. Januar 1864 geboren. Der Namens-Zusatz „der Ältere“ bezieht sich auf Storchs eigenen, 1899 geborenen Sohn Karl, der ebenfalls Maler wurde. Vater Karl Storch wiederum war der älteste Sohn einer Kaufmannsfamilie, die nicht nur Kolonialwaren an die Segeberger verkaufte, sondern auch eine Kerzengießerei betrieb. Mit dem elektrischen Licht war es damals noch nicht so weit her, schließlich gab es die ersten industriell hergestellten Glühlampen erst ab zirka 1880. Die Storchs hatten also ein gutes Geschäft, in dem auch Sohn Karl das Kaufmannswesen lernte.

Karl Storch wollte das Leben abbilden, ohne Attitüden wie im Expressionismus

Doch was wollte dieser behütete Sohn? Maler werden. Schon während der Schulzeit malte und zeichnete er gern. Sein Vater war ein liberaler Mann und ließ seinen Ältesten gewähren. Der ging als 19-Jähriger nach Kiel und studierte Kunst. Der Maler Harro Magnussen erkannte das Talent und empfahl ihn an die Berliner Kunst-Akademie. Gerade zur rechten Zeit, denn die neue Malerei, der Impressionismus, lag ihm, er wollte das Leben abbilden, ohne extravaganten Attitüden wie beispielsweise im Expressionismus.

Wie seit jeher üblich, malte Storch bereits während seiner Studentenzeit und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Illustrator, unter anderem für Bücher, Zeitschriften und Zeitungen, darunter die „Leipziger Illustrirte Zeitung“, er begleitete Texte berühmter Dichter, darunter Eichendorff, Goethe und Heinrich von Kleist. In sein geregeltes, erfolgreiches Leben zog mit Mine Breckwoldt die Liebe ein, 1893 heirateten die beiden, 1894 kam Sohn Detlef zur Welt, 1897 Tochter Gesche, 1899 dann Sohn Karl. Und der machte Karriere, unterrichtete, erhielt 1902 eine Professur der neuen Königsberger Kunstakademie und leitete die Zeichenlehrer-Fachklasse. Nebenbei malte er Sammelbilder für die Ludwig-Stollwerck-Sammelalben, darunter auch die Serie „Die Befreiung Ostpreußens durch Hindenburg“ für das Stollwerck-Sammelalbum Nummer 16 von 1916.

1944 erhielt er die NS-Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft

Storch unternahm Studienreisen, immer wieder nach Holland, aber auch nach Schweden, Finnland, Dänemark, Frankreich, Belgien, England und Italien, dorthin, wo die Werke berühmter Maler zu sehen waren.

Doch seine Geburtsstadt Segeberg ließ den regen Künstler nicht los. Ihn faszinierte zwar die Königsberger Umgebung, wie seine Bilder belegen, doch einmal im Jahr zog es ihn nach Haus. Er wollte „seine“ Stadt malen.

Karl Storch blieb während der NS-Diktatur ein geschätzter Maler. Im Kulturlexikon zum Dritten Reich von Ernst Klee, vielfach ausgezeichneter Sach-Buchautor über Themen des Nazi-Terrors, wird er als Mitglied der „Gottbegnadeten-Liste – Künstlerliste des Führers“ verzeichnet.

Nach Klee erhielt Storch im Januar 1944 die NS-Ehrung der Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Käufer seiner Bilder waren nach Klee auch Hitler und Robert Ley, Reichsleiter der NSDAP. Storch stellte auf den deutschen Kunstausstellungen 1939 und 1941 im Münchner „Haus der Deutschen Kunst“ aus. Eine Mitgliedschaft Storchs in der NSDAP verzeichnet aber auch Ernst Klee in seinem Lexikon nicht (S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, Seite 597).

Das „Tausendjährige Reich“ ging in Trümmer, Königsberg wurde bombardiert, und Storch floh im Oktober 1944 zurück nach Bad Segeberg, die Stadt, für deren 800-Jahr-Feier 1937 er einige Bilder mit geschichtlichem Inhalt malte. Außerdem entwarf er die Festwagen und Kostüme für den Umzug und organisierte eine Kunstausstellung.

Im Alter zog Storch mit Schlapphut und Staffelei durch Segeberg

Storch, mittlerweile 80 Jahre alt, war ab November 1944 wieder in seiner Heimat, mittellos, denn sein Besitz blieb in Königsberg. Er wohnte in der Kleinen Seestraße 6 und – malte einfach weiter.

Unermüdlich nahm er wieder Segeberger Motive in seinen Fokus. Er malte am liebsten plein air, also direkt vor dem Motiv und zog mit Schlapphut, langem Mantel, mit Staffelei und Malstuhl, Pinsel, Farben und Palette durch die Segeberger Landschaft.

1954, zu seinem 90. Geburtstag, erhielt er das Bundesverdienstkreuz für sein Werk. 1954, am 11. Februar, starb Karl Storch der Ältere. Seit 2004 ehrt die Stadt Storch mit einer Dauerausstellung seiner Werke im alten Rathaus an der Lübecker Straße 9. Die wird jetzt um zwei Exponate erweitert, gestiftet von Brillen-Fielmann.

Die Ausstellung im Alten Segeberger Rathaus an der Lübecker Straße 9 ist montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, donnerstags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.