Schleswig-Holsteins Ministerpräsident diskutiert mit Schülern in Bad Bramstedt über seine Sicht auf Europa

Bad Bramstedt. Einmal mit dem Ministerpräsidenten diskutieren, einmal Torsten Albig so richtig die Meinung sagen – diese Möglichkeit bot sich Schülern der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt am gestrigen Europa-Projekttag. Besonders die Oberstufenschüler löcherten den Ministerpräsidenten in einer Diskussionsrunde dann auch mit kritischen Fragen zu Europa.

Was bringt uns Schleswig-Holsteinern eigentlich diese EU? Wieso nimmt Europa nicht mehr Flüchtlinge auf? Was hat es mit der Lebensmittel-Ampel auf sich? Nehmen die rumänischen Arbeiter im Vion-Schlachthof uns nicht die Arbeitsplätze weg? Diesen Fragen stellte sich der SPD-Politiker – und parierte souverän.

Dabei entlockten die Schüler Albig durchaus die eine oder andere überraschend klare Aussage. Kostprobe: „Die rumänischen Arbeiter nehmen niemandem den Arbeitsplatz weg. Es gibt einfach keinen Deutschen, der die Arbeit im Schlachthof machen will. Bei vier Grad so ein Viech morden und ausweiden ist nun einmal ein Scheißjob.“ Wir Deutschen äßen lieber das fertige Kotelett. Die Alternative seien: „Sojaburger“.

Auf die Bedeutung des europäischen Projekts angesprochen, antwortete Albig ganz persönlich: „Auf den Bildern bei meinem Opa kann ich sehr gut sehen, dass er damals mit großer Begeisterung Teil einer faschistischen Welt war. Er ist nach Frankreich gefahren, um die Franzosen umzubringen. Ihr dagegen könnten heute in eure Partnerschulen zum Austausch fahren, ohne dass die Franzosen denken: Da kommt der Erzfeind.“

Besonders die Flüchtlingspolitik der EU wurde kontrovers diskutiert. In Nahe gibt es mit der Familie Hakopjan ein mahnendes Beispiel für die gängige Abschiebepraxis. Am kommenden Dienstag entscheidet die Härtefallkommission, ob die seit 2001 in Deutschland lebende Familie ausgewiesen wird. Der Fall lässt auch den Ministerpräsidenten nicht kalt, wie er den Schülern gestand: „Die derzeitige EU-Flüchtlingspolitik ist absurd“, sagte Albig. Es schaudere ihm bei einigen Schicksalen. „Die Kinder gehen hier in die Schule. Was würde denn so Schreckliches passieren, wenn die Familie bleiben dürfte? Die Antwort: nichts“.

Allerdings, so Albig weiter, sehe er keine gesellschaftliche Mehrheit für eine mildere Flüchtlingspolitik. „Als Politiker, der gewählt werden will, kann man das derzeit nicht fordern. Er sei sich nicht sicher, ob er seine klaren Aussagen im Wahlkampf wiederholen würde. „Das kann man feige nennen, aber es ist einfach Ausdruck der Meinung der Menschen.“ Im Grunde müsse sich jeder Einzelne fragen, ob er bereit sei, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen.

Als die Schüler das Thema Krim-Krise zur Sprache brachten, konnte sich Albig entspannt mit einer Tasse Kräutertee zurücklehnen – es entspann sich ganz ohne sein Zutun eine lebhafte Diskussion. Passend dazu auch das Fazit des Ministerpräsidenten: „Im Prinzip weiß ich über den Konflikt auch nicht mehr als ihr.“

Das wiederum lag nicht unbedingt am mangelnden Wissen des Ministerpräsidenten. Wochenlang hatten sich die Schüler auf den Europa-Projekttag vorbereitet. Ihre Ergebnisse präsentierten sie vor der Diskussion an Stellwänden oder als aufwendig inszenierte Kunstprojekte. Viel Zeit nahm sich Albig für die Zukunftsprognosen der Schüler. Besonders optimistisch zeigte sich im Gespräch Viola Fast. Der Traum der Oberstufenschülerin: „Eines Tages könnten alle Staaten Europas zur EU gehören.“