Die Wiedereinführung ist in Norderstedt vorerst gescheitert – aber die Diskussion kommt jetzt erst richtig in Fahrt

Norderstedt. Baumschutzsatzung – in Hausbesitzerkreisen ist das ein Reizwort. Denn manche Grundstücksbesitzer sehen darin nicht mehr als eine Gängelung im eigenen Vorgarten durch die Stadtverwaltung. Und sie verwehren sie sich dagegen, als rabiate Baumfrevler unter Generalverdacht gestellt zu werden.

Seit eine Mehrheit aus CDU und FDP 2004 die zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre geltende Norderstedter Baumschutzsatzung gekippt hatte, war es ruhig geworden um das Thema. Jetzt ist es wieder auf der Agenda. Mit voller Wucht. Im Umweltausschuss hatten die Linken und die Grünen die Wiedereinsetzung der Verordnung gefordert. Und glaubten sich dabei einer Mehrheit gemeinsam mit der SPD und der WiN sicher. Doch es kam alles anders. Der Antrag scheiterte mit Pauken und Trompeten.

Ausgerechnet die SPD-Fraktion, die seit Jahren für die Baumschutzsatzung streitet, hat es nun mit Andersdenkenden in den eigenen Reihen zu tun. Drei SPD-Stadtvertreter sagten wie CDU und FDP nein zur Satzung. Darunter Annemarie Ebert. „Mir ist diese Satzung zu viel Reglementierung im eigenen Garten“, sagt die Stadtvertreterin. „Ich setze da eher auf die Vernunft und die Einsicht der Grundstücksbesitzer.“

Sie gehe mit offenen Augen durch Norderstedt und habe dabei nicht den Eindruck, dass die Leute in Massen mit den Kettensägen die Bäume umlegen würden. „Und was den Schutz der Bäume bei Baumaßnahmen angeht: Eine Baumschutzsatzung ist ein Papiertiger, wenn eine Verwaltung gar nicht genügend Leute hat, um Verstöße gegen die Satzung zu kontrollieren.“

Eberts Genossin Sybille Hahn, seit 1985 in der Kommunalpolitik und mit dem Thema Baumschutzsatzung mehr als vertraut, hatte im Ausschuss noch eine flammende Rede für die Satzung gehalten. „Norderstedts Bäume sind ziemlich gefährdet, sei es durch Fällungen oder durch das Streusalz auf den Straßen“, sagt Hahn. Die Baumschutzsatzung schütze den alten Baumbestand in der Stadt, regele genau, ab welchem Stammdurchmesser gesägt werden darf, verpflichte Bauträger zu Schutzmaßnahmen während der Bauphase und sorge für Ersatzpflanzungen, falls Bäume weg müssen. Der normale Hausbesitzer werde nicht gegängelt, denn die schnell wachsenden Bäume und der Rückschnitt derselben wären nicht Bestandteil der Satzung gewesen. „Das mit der Gängelung sind die immer gleichen Argumente der Gegenseite. Wenn es daran scheitern sollte, wäre das ganz bitter.“

Die SPD hat in ihrer heutigen Fraktionssitzung deswegen Uwe Reher vom Team Natur und Landschaft der Stadtverwaltung eingeladen. Die Genossen wollen die Fraktion umfassend informieren. „Kann gut sein, dass es innerhalb der Fraktion eine Mehrheit für die Wiedereinführung der Satzung gibt. Dann kommt das Thema als Antrag in die Stadtvertretung zurück“, sagt Annemarie Ebert.

Die erfahrenen Baumschützer verfolgen die Diskussion fassungslos

Für die Wiedereinführung der Baumschutzsatzung spricht sich die Naturschutzbeauftragte der Stadt Norderstedt, Ingrid Niehusen, aus. Derzeit seien nur die das Orts- und Landschaftsbild prägenden Bäume geschützt. Und selbst das werde kaum noch kontrolliert. Sogar auf Baustellen der öffentlichen Hand, wie etwa dem des Rechenzentrums an der Ulzburger Straße, komme es zu Verstößen gegen den Baumschutz. Auf vielen Grundstücken würden Bäume in Unkenntnis gekappt, von Städtern die aufs Land gezogen sind, und die Stadt hätte dagegen keine Handhabe. Außerdem verzeichne Niehusen einen Anstieg der Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Mit Fassungslosigkeit verfolgt Bernhard Kerlin die Diskussion. Der war in der Stadtverwaltung 20 Jahre lang als – wie er sagt – „Berufsgrüner“ für den Baumschutz verantwortlich. Als „interessierter Bürger“ verschreibt er sich auch nach seiner Pension dem Naturschutz. „Nur mit der Baumschutzsatzung konnte die Stadt 25 Jahre lang ein Mitspracherecht zur Sicherung der Grundlagen für ein grünes und gesundes Wohnumfeld sichern.“ Probleme mit den Bürgern habe es keine gegeben. „Über 1000 Fällanträge habe ich bearbeitet. Die Anträge wurden transparent nach klaren gesetzlichen Vorgaben abgearbeitet. Versagungen wurden ausführlich begründet, und es wurde ihnen selten widersprochen. Nachbarstreitigkeiten wurden mit der Satzung entschieden, das führte oft wieder zu guten nachbarlichen Verhältnissen.“

Kerlin kritisiert, dass im Ausschuss fast nur betagte Stadtvertreter säßen, und er stellt infrage, ob es im Interesse aller Bürger ist, wenn so über zukunftsorientierte Umweltprojekte abgestimmt werde. Kerlin: „Es täte Norderstedt gut, wenn sich mehr jüngere Bürger aktiv politisch beteiligen würden. Die Stadt braucht eine Mischung aus Lebenserfahrung und Visionen für eine bessere Umwelt.“