Eine Glosse von Manfred Scholz

Ich ahne, das Thema ist heikel. Wie würde ein alt gedienter Berufsdiplomat das Problem umschreiben? Vielleicht so: In der Präsentation seiner Persönlichkeit ist der Norddeutsche eher zurückhaltend. Seinen Gefühlen und seinen Worten legt er strenge Grenzen auf. Dies ist sein Naturell. „Im Norden“, meinte der Schauspieler Charly Hübner kürzlich, „steht die Kommunikation nicht unter den Top drei der Verhaltensweisen“. Richtig – oder alles schlicht Quatsch? Ich habe Nordlichter daraufhin angesprochen. Sie fauchten, ihrem Temperament gar nicht angemessen, patzig zurück: „Der Norddeutsche und kühl? Was für ein Allgemeinplatz!“ Er werde im Alltag ständig widerlegt. Wie jedes Vorurteil übrigens. Betonten die Befragten.

Stellen wir nüchtern fest: Im Vergleich zu anderen deutschen Volksstämmen sind die Menschen hoch im Norden nur selten zu massiven Gefühlsausbrüchen fähig. Rheinländer, zum Beispiel, ticken da ganz anders! Schon mal Karneval mitgemacht? Da geht aber die Post ab! Oder haben Sie schon einmal die Sachsen erlebt? Wenn ihr redet, Entschuldigung, liebe Landsleute, braucht man oft genug einen Dolmetscher, um alles mitzubekommen. Aber Sachsen sind herzlich, spontan und hilfsbereit. Fehlte mir immer, wenn ich in den Norden zurückkehrte. Es stimmt eben doch: Wir Norddeutsche sind eben etwas dröge und oft auch mundfaul.

Blicken wir über die Grenzen. Mit Amerikanern ins Gespräch zu kommen, ist kinderleicht. Die Amis sind von Natur aus neugierig auf den Nachbarn neben sich. Wann haben Sie zuletzt einen schlecht gelaunten Italiener erlebt? In ihrer Heimat von der Sonne verwöhnt, haben sie die Wärme des Südens im Herzen- ihr ganzes Leben lang. Liegt es vielleicht am oft nass-kühlen Wetter, dass wir Norddeutschen so sind, wie wir sind? Das wäre eine plausible Entschuldigung – oder? Übrigens: Ich bin selbst ein Nordlicht, also damit ein Nestbeschmutzer. Ich kann damit leben.