Ab Donnerstag ist der Streifen über die spektakuläre Raubserie und den Showdown vor einer Segeberger Sparkassenfiliale zu sehen

Kreis Segeberg/Hamburg. Mitte der 60er-Jahre arbeitete sie als Hilfskraft in einer Hamburger Tapetenfabrik, wohnte mit ihren gut 30 Jahren noch bei ihren Eltern im Kinderzimmer – und sehnte sich nach der großen Welt, die sie aus bunten Illustrierten kannte. Und dann kam Hermann. Mit dem Räuber überfiel sie 19 Banken und machte Schlagzeilen. Die Medien nannten die stets höfliche und schick angezogene Unbekannte, die später im Gefängnis ihren Komplizen heiratete, die „Banklady“. Aus dem ziemlich vergessenen Fall der Gisela Werler schuf der deutsche Hollywood- und „Tatort“-Regisseur Christian Alvart („Fall 39“, „Antikörper“) den gleichnamigen Film mit Nadeshda Brennicke in der Titelrolle. Am Donnerstag kommt der Streifen in die Kinos.

Die aktionsreich, fesselnd raffiniert und durchaus mit Humor in Szene gesetzte Produktion feierte vergangenen September Weltpremiere auf dem Filmfest Hamburg. Mit einem draufgängerischen, schmierig-attraktiven Charly Hübner („Polizeiruf 110 – Rostock“) als Spießgesellen Hermann Wittorf, Ken Duken und Heinz Hoenig als ungleiche Kripo-Ermittler sowie dem norddeutschen Entertainer Heinz Strunk als Erotikclub-Gast. „Wir hatten Glück“, sagte der Regisseur damals, „das Leben hat die Geschichte scheinbar fürs Kino entwickelt und geschrieben. Viele Dinge hätte ich mich nicht getraut zu erfinden.“

Dazu zählte Alvart die Erschießung eines anderen Gangsters aufgrund einer Verwechselung durch die Polizei oder auch den letzten, spektakulären Überfall in Bad Segeberg 1967, bei dem der beherzte Kassierer Lothar B. das Geld immer wieder an sich nahm. Sogar dessen Spruch „Ich hab bei Stalingrad in ‚ne Panzerkanone geguckt“ ist historisch verbürgt. Und wie im Film gaben sich Räuber und Räuberin tatsächlich noch im Gerichtssaal das Eheversprechen und blieben 31 Jahre lang bis zum Tod von Gisela Werler verheiratet.

Hermann Wittorf hatte am 15. Dezember 1967 in der Segeberger Sparkasse an der Oldesloer Straße 25 Menschen mit der Maschinenpistole bedroht. Gisela Werler blieb wie immer höflich und fragte Kassierer Lothar B.: „Würden Sie bitte alles Geld einpacken?“ Als der Kassierer mit dem Stalingrad-Spruch reagierte, verlor Wittorf die Nerven und stieß ihm den Lauf der Waffe in den Bauch. Gisela Werler riss 100.000 Mark an sich, die Scheine flogen, dann rief jemand „Überfall! Überfall!“

Die Räuber rannten zum Auto. Als vier junge Bankangestellte dem Paar auf den Hof folgten, drückte Hermann Wittorf ab, traf aber nicht. „Das sind nur Platzpatronen!“, rief einer der Verfolger. Ein fataler Irrtum. Wittorf schoss erneut. Die Garbe traf die vier jungen Leute. Drei erlitten leichte Blessuren, eine Frau wurde schwer getroffen. Von der Verletzung im Rücken erholte sie sich nie.

Wieder griff Hermann Wittorf zur MP und drückte ab

Mit einem gestohlenen VW Käfer waren die Räuber wie bei den anderen Überfällen gekommen. Jetzt flüchteten sie in dem schwarzen Volvo mit dem Taxischild. Doch beim Auskundschaften der Bank hatten sie eine Bahnschranke übersehen. Ausgerechnet jetzt kam ein Zug. Hermann Wittorf bog ab, fuhr über die Bundesstraße in Richtung Bad Bramstedt. Als er an einer Tankstelle wenden wollte, kam die Polizei. Mit ihrem Bus blockierten die Beamten den Käfer.

Wieder griff Hermann Wittorf zur MP und drückte ab, doch das Magazin fiel heraus, sodass sich kein Schuss löste. Der Polizei gelang es, das Fahrzeug mit Streifenwagen zu blockieren. Die Beamten überwältigten Gisela Werler und ihren Komplizen. Schon vor dem Überfall hatte das Paar sich geeinigt, dass dieser Coup ihr letzter sein sollte. Mit einer Festnahme hatten sie jedoch nicht gerechnet.

Es ist so unterhaltsam wie menschlich und zeitgeschichtlich erhellend, den Werdegang der moralisch zwar mehr als zweifelhaften, aber alles andere als böswilligen „Banklady“ zu verfolgen. Als liebenswert-naiv und gerissen, introvertiert und dann wieder tollkühn zeichnet Brennicke („Dampfnudelblues“) ihre Ganovin mit Perücke, Sonnenbrille und teurem Audrey-Hepburn-Look. Deren Durst nach Liebe, Geld und Glamour im tristen, beklemmend engen Nachkriegs-Hamburg wirkt dabei oft berührend nachvollziehbar.

In flirrend schnellen, oft schummerigen, manchmal schwindelerregenden Bildern zu surrender Tonkulisse inszeniert Alvart Zeit und Ort mit Hingabe zum Detail – altmodische Tapetenmaschinen und Bankfilialausstattungen, Wohnküche und VW Käfer eingeschlossen. Dazu gibt es neben den beiden Hauptfiguren pointierte Typenzeichnungen. So verkörpert Hoenig einen polternden Hauptkommissar, in dessen Habitus noch das damals nicht allzu lange vergangene Dritte Reich anklingt. Duken dagegen ziseliert seinen jungen Kommissar Fischer als verbissen ehrgeizigen Mann der Moderne. Als das Paar vor dem Landgericht in Kiel stand, war der Andrang riesig. Gisela Werler wurde zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie starb im Jahr 2003. Hermann Wittorf bekam dreizehneinhalb Jahre.

Titelstar Brennicke ist geistige Urheberin des Projekts

Nach seiner Entlassung überfiel er erneut eine Bank: Im Dezember 1985 schoss er auf der Flucht in Elmshorn auf den Polizisten Lothar S., der sich mit einem Sprung zur Seite retten konnte. Mit 49.000 Mark entkam Wittorf. Am nächsten Tag nahm das Mobile Einsatzkommando den Bankräuber fest.

Titelstar Brennicke ist übrigens geistige Urheberin des Projekts. Im Internet hatte sie eine NDR-Dokumentation von 2007 über Werler und ihren Ehemann gesehen – und dann für einen Spielfilm gekämpft.