Diana Körner und Max Volkert Martens begeisterten im Kulturwerk mit der Tragödie „Ohne Gesicht“

Norderstedt . Hinter jedem Wort, jeder Geste, jedem Schrei, jedem Blick und jedem Aufbegehren lauert die nächste Katastrophe, der noch tiefere Abgrund. Vincent und Louise stürzen unaufhaltsam ins Verderben, ein unheimlicher Strudel, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt.

Diana Körner und Max Volkert Martens brachten das auf die Bühne des Norderstedter Kulturwerks. Sie sind das Ehepaar Vincent und Louise Demalènes, gut situiert und hoch angesehen in der Gesellschaft. Oder ist Vincent sein Zwillingsbruder Thomas? Hat er, als er mit dem toten Bruder die Kleider wechselte, mit seinem Namen auch sein Gesicht, sein Ich verloren?

Die Schauspieler weben ein dichtes Kammerspiel mit magischen Momenten

„Ohne Gesicht“ heißt denn auch das Schauspiel von Irene Ibsen Bille, mit dem das Tournee-Theater a.gon aus München im Kulturwerk gastierte, ein Zwei-Personen-Drama, das die bekannten Schauspieler Körner und Martens zu einem dichten Kammerspiel mit magischen Momenten webten. Regie führte Stefan Zimmermann. Abgesehen von der herausragenden Sprechkultur des Duos zeigt das Spiel hohe Schauspielkunst, wie sie immer seltener auf die Bühne gebracht wird. Körner und Martens nutzen jede Chance und jede Nuance, um ihr Publikum in die Tragödie hinein zu ziehen.

Sie kämpfen mit Worten gegen einander, ringen miteinander, verletzen einander. Sie stülpen ihre Gefühle wieder und wieder um, suchen nach der Wahrheit, die doch immer nur die eigene Wahrheit ist. „Das Ich ist das Göttliche im Menschen“, sagt Thomas/Vincent, während Louise ihren und den Frieden ihrer Kinder schwinden sieht. Sie kämpft wie die buchstäbliche Löwin, mit allen Tricks, auch der hinterhältigen Art. Diana Körner gibt der Rolle die ganze Verzweiflung einer Frau, die sich mit aller Macht gegen einen scheinbar unaufhaltsamen Sog ins Chaos stemmt. Sie ist mal die liebevolle Frau, mal die Rächerin, dann wieder die kompromisslose Verteidigerin ihrer Kinder.

In Max Volkert Martens hat die bekannte Schauspielerin (Forsthaus Falkenau, Rosamunde Pilcher) einen kongenialen Partner. Auch er gibt seiner Rolle alle Facetten, die ein Mensch haben kann, der sich aus dem Vergessen retten will. Abgebrühtheit und Verzweiflung, Gier, Kälte und innige Liebesschwüre sind die Klaviatur, auf der er bestens spielt. Martens („Der Baader Meinhof Komplex“, „Mord mit Aussicht“) fasziniert ebenso wie Körner mit einem mitreißenden Spiel. Und das, obwohl sie auf einer schräg nach vorn kippenden Bühne agieren müssen (Bühnenbild Claudia Weinhart). Im Kulturwerk erhielten beide für diese Leistung minutenlangen Applaus.

„Gut so“, sind Diana Körners Schlussworte. Das gilt für die gesamte Aufführung.