Einem Mitarbeiter des Großhändlers DI-Perle wurde Ware im Wert von 540.000 Euro aus dem Wagen gestohlen

Norderstedt. Hans Busse, 58, ist runter mit den Nerven und kann seine Wut nur schwer im Zaum halten. „Das kann doch alles nicht wahr sein. Fass mich an die Füße!“ Edle Zuchtperlen mit einem Verkaufswert von 540.000 Euro wurden einem seiner Außendienstmitarbeiter gestohlen, am helllichten Tage, aus einem VW-Bus T5 „California“, mitten auf dem Langenharmer Weg in Norderstedt. Die Dreistigkeit der Täter lässt den Perlen-Großhändler ratlos zurück. Busse sitzt in seinem Büro, raucht, pausenlos klingelt das Telefon – die Presse aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Denn Busse geht in die Offensive und setzt auf die Öffentlichkeitsfahndung. „10.000 Euro für denjenigen, der die entscheidenden Hinweise auf den oder die Täter geben kann. Ich will meine Ware zurück!“

Es war am Mittwoch, als der Außendienstmitarbeiter für die Postleitzahlenbereiche 2 und 3 in der Zentrale in Norderstedt vorbeischaute. „Wir brauchten einen Strang Perlen aus der aktuellen Kollektion für eine Kundin“, sagt Busse. Der Mitarbeiter war gerade mit der kompletten Kollektion in fünf jeweils 20 Kilogramm schweren Koffern bei Hamburger Juwelieren auf Kundenbesuch. Mal eben in Norderstedt vorbeizuschauen war also kein Problem.

Der Mann stellt seinen T5 auf einem Parkplatz am Rand des Langenharmer Weges ab, unweit der Zentrale mit der Hausnummer 33. Genau um 14.54 Uhr sei er im Büro gewesen, eine Mitarbeiterin hatte sich die Zeit zufällig genau merken können. „Wir schnackten noch ein wenig, rauchten eine Zigarette und dann ging er wieder. Das war exakt um 15.24 Uhr“, sagt Busse.

Kurze Zeit später kehrt der Mitarbeitern fassungslos zurück. Die Täter hatten zugeschlagen, innerhalb des Zeitfensters von nur knapp einer halben Stunde den gesamten Wagen ausgeräumt. „Die Fenster unserer Wagen sind mit Einschlagfolie gesichert. Die Koffer sind im Wagen mit einer Kette und Schloss verbunden, sie wiegen zusammen über 90 Kilo – und trotzdem hat der Täter das hinbekommen“, sagt Busse. Mit einem Kuhfuß, so nimmt Busse an, habe der Räuber ein kleines Fenster des VW-Busses an einer Ecke herausgehebelt. Dann muss er sich mit dem Oberkörper hinein gehängt haben, um die Koffer mit einem Bolzenschneider von der Kette zu befreien und sie dann einzeln aus dem Fenster zu hieven. „Der Typ muss eine ziemliche Kraft haben“, sagt Busse.

In einer Seitenstraße muss der Täter ein Auto geparkt gehabt haben. „Eine Zeugin hat ihn gesehen, wie er mehrmals mit diesen schwarzen Kollektionskoffern über die Straße läuft. Auf die Idee, die Polizei anzurufen, kam sie leider nicht“, sagt Busse. Und so entkam der Mann mit den fünf Koffern, in denen sich etwa 2000 Perlenstränge, lose Perlen, Ohrstecker und Schließen befanden. „Der Einkaufswert der Ware liegt bei etwa 180.000 Euro. Natürlich sind wir versichert“, sagt Busse. Aber von der Versicherung bekommt er nur etwa 80 Prozent des Wertes zurück. „Und der Mitarbeiter braucht ja jetzt eine komplett neue Kollektion Perlen aus aller Welt. Das dauert, bis die geliefert werden. Der Mann sitzt jetzt vier Wochen im Zwangsurlaub zu Hause.“

Seit 13 Jahren sitzt Busse mit seiner Firma DI-Perle in Norderstedt. Er ist einer der größten deutschen Zuchtperlen-Importeure. „Von den etwa 10.000 Juwelieren in Deutschland zählen 8600 zu unseren Kunden. Dazu kommen Kunden in ganz Europa“, sagt Busse. Er liefert alles von der schwarzen Tahiti-Perle, über kostbarste Akoya-Perlen bis hin zu den sehr gefragten Süßwasserperlen. Einen derart spektakulären Diebstahl hat Busse in seiner Karriere als Händler noch nicht erlebt. „Einmal in England wurde ein Mitarbeiter vor der Tür eines Kunden überfallen. Die Täter schlugen die Scheibe des Wagens ein und stahlen den Musterkoffer. Seither haben wir ja in allen Autos die Einschlagfolien.“

Busse ist sich sicher, dass die Täter den Außendienstmitarbeiter schon eine ganze Zeit lang verfolgt haben müssen. „Die konnten ja nicht ahnen, dass der zufällig hier in Norderstedt vor der Tür steht.“ Wahrscheinlich seien sie ihm schon von Hamburg aus gefolgt. Busses Hoffnung sind nun die Aufzeichnungen der Aral-Tankstelle auf der Ohechaussee. Denn hier hat der Mitarbeiter vor dem Besuch in der Zentrale getankt und eine Bockwurst gegessen. „Vielleicht ist auf den Video-Aufnahmen der Tankstelle auch das Auto seiner Verfolger zu sehen. Die Polizei wertet die Aufnahmen aus“, sagt Busse.

An alle seine Kunden im In- und Ausland hat Hans Busse sofort nach dem Diebstahl eine Mitteilung geschickt. Denn der Dieb wird sicher in naher Zukunft versuchen, die Perlen irgendwo zu Geld zu machen. „Mich erreichen schon viele Anrufe und E-Mails von Juwelieren, die alle versprechen, dass sie ein waches Auge auf die Szene haben werden“, sagt Busse.

Die Kriminalpolizei Norderstedt hat die Ermittlungen übernommen. Zeugen oder Hinweisgeber werden gebeten, sich bei den Ermittlern unter 040/528060 zu melden. Vielleicht hat jemand Beobachtungen während der Tatzeit gemacht, kann etwas zum Auto der Diebe sagen oder zu eventuellen Vorbereitungshandlungen.

Aufgrund der Zeugin gibt es auch eine Beschreibung des möglichen Diebes. Es soll sich um eine männliche, schlanke Person mit südländischem Erscheinungsbild handeln, etwa 25 bis 30 Jahre alt und 1,75 bis 1,80 Meter groß. Er war bekleidet mit einer schwarzen Lederjacke und einer schwarzen Hose. Diese Person wurde laut Polizei kurz nach dem Diebstahl beobachtet, wie sie mit einem schwarzen Koffer in eine helle Limousine (vermutlich ein Mercedes) stieg, die auf einem Parkplatz am Langenharmer Weg abgestellt war, und in Richtung Schleswig-Holstein-Straße wegfuhr. „Sollten Sie sich wiedererkennen und eigentlich unbeteiligt sein, melden Sie sich bitte trotzdem dringend bei der Polizei, sagt Silke Westphal, Sprecherin der Polizei.