58-Jähriger sollte jungen Oldesloer vergewaltigt haben. Doch der verstrickte sich in Widersprüche

Hardebek/Ahrensburg. Wenn der Angeklagte nach der Urteilsverkündung vorm Ahrensburger Amtsgericht erleichtert gewesen sein sollte, dann hat der 58-Jährige diesen Umstand gut versteckt. Nicht eine Miene verzog sich in seinem gebräunten Gesicht. Stattdessen starrte er abwechselnd konzentriert auf seine Füße und auf seine im Schoß gefalteten Hände. Dabei war der Mann aus Hardebek am zweiten Prozesstag freigesprochen worden. Freigesprochen von der Anklage wegen Vergewaltigung und Körperverletzung eines damals 16 Jahre alten Jungen auf dem Oldesloer Bahnhofsklo (wir berichteten). Eines Jungen, dem eine verminderte Widerstandsfähigkeit attestiert wurde. Laut Strafgesetzbuch hätte dem Vorruheständler bei Verurteilung eine Haftstrafe von mindestens zwei Jahren gedroht.

Auch Staatsanwaltschaft, Nebenklage und die Anwältin des Angeklagten hatten den Freispruch gefordert. „In der Beweissituation bleibt mir nichts anderes übrig“, sagte die Staatsanwältin. Der heute 19-Jährige habe sich in seinen Aussagen wiederholt in kleinere Widersprüche verstrickt. Von seinen ursprünglichen Beschreibungen des Missbrauches bei der Anzeige im Sommer 2011 sei er während der Befragung im Prozess immer weiter abgewichen. „Er hat seine Aussagen zunehmend relativiert“, begründete die Staatsanwältin ihre Entscheidung im Plädoyer.

Kurz nach der Tat im Sommer 2011 hatte der Junge bei der Oldesloer Polizei noch eine brutale Szene des Missbrauchs zu Protokoll gegeben. Er habe sich in der Toilette des Oldesloer Bahnhofs erleichtert. Während er am Urinal stand, habe der Angeklagte ihm ein Fläschchen unter die Nase gehalten. Daraufhin habe er sich gefühlt, „als stehe er neben seinem Körper“.

Bei dem Angeklagten stellen die Beamten später Isopropylnitrit sicher. Eine Substanz, die in homosexuellen Kreisen Poppers genannt und unter anderem zur sexuellen Stimulation verwendet wird. Anschließend soll der Fremde den Jungen in eine Kabine gestoßen und dort vergewaltigt haben. Anschließend soll der 58-Jährige dem Jungen acht Euro und seine Visitenkarte in die Hand gedrückt haben. Und sich mit dem Satz „Wir können uns ja mal wieder treffen“ verabschiedet haben.

Der Angeklagte hatte bei der Polizei und vor Gericht unterdessen nicht den Akt auf der Bahnhofstoilette, aber seine Umstände abgestritten. „Das hat so nicht stattgefunden“: So lautete seine einzige Stellungnahme während des gesamten Prozesses. Der Junge sei es gewesen, der ihn zum Sex aufgefordert habe – zweimal. Das hatte er laut Protokoll den Polizisten bei der Festnahme gesagt. Anschließend sei der geschiedene Mann den vermeintlichen Avancen des Jungen nachgekommen. Zu dem Tatvorwurf der Körperverletzung, der Verwendung des Isopropylnitrit sowie zu Geld und Visitenkarte äußerte der Angeklagte sich vor Gericht und bei der Polizei nicht.

Richter rügte die Verteidigung wegen ihres Plädoyers

Die fehlenden Beweise für die Taten und die widersprüchlichen Aussagen des – nach eigenen Angaben heterosexuellen – jungen Mannes über Geld, Verletzungen und die Umstände, die zum Akt geführt haben, überzeugten Richter Ulf Thiele, dass „die Handlungen des Angeklagten keine strafrechtliche Anwendung nötig machen“. Als sicher sahen sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft an, dass der junge Mann dem Angeklagten mit seinen Aussagen und der Anzeige nicht absichtlich schädigen wollte. Dass der Geschädigte vermindert widerstandsfähig ist, das habe wiederum der Angeklagte nicht zwingend bemerken müssen. Der 19-Jährige ist – wie diagnostiziert – in Folge einer Sauerstoffunterversorgung in seiner Entwicklung zurückgeblieben.

Diesen Umstand griff die Anwältin in ihrem Plädoyer auf. Sie verwies auch auf Aussagen der Mutter und der Betreuer des jungen Mannes, „er würde dazu neigen, Geschichten zu erzählen“ und er habe ein „hemmungsloses Sexualleben“. Aussagen, die Richter Ulf Thiele dazu bewegten, die Anwältin zu rügen. Er sagte zum Abschluss des verfahrens: „Das war unnötig und nicht zielführend.“