Streusalz hat die Wurzeln geschädigt, nun werden die Linden intensiv behandelt, damit sie wieder gesund werden

Norderstedt. In Hamburg gehen 6000 Straßenbäume pro Jahr verloren, Norderstedt hingegen hält den Bestand an 30.000 städtischen Linden, Buchen und anderen Laubbäumen. „Wir versuchen, die Zahl auf Dauer zu erhöhen“, sagt Christoph Lorenzen, im Norderstedter Rathaus zuständig für die Stadtbäume. Doch beim Ziel, die natürlichen CO2-Speicher und Schattenspender zu vermehren, muss die Stadt immer wieder Rückschläge verkraften. So macht das Streusalz den Bäumen zu schaffen, und das umso mehr, nachdem die Stadt nun auch die Radwege von Eis und Schnee befreit. Außerdem müssen in den nächsten Tagen noch 21 größere Bäume gefällt werden, da sie nicht mehr sicher stehen und Passanten oder Autofahrer gefährden könnten. Die Arbeiten sollen bis zum 15. März beendet sein – dieses Datum markiert das Ende der Fällarbeiten und den Beginn der Vegetationsperiode.

„In etwa acht Wochen, wenn die Linden voll ausgetrieben haben werden, werden wir wissen, ob unsere Schutzmaßnahmen greifen“, sagt Lorenzen. 23 Linden entlang der Oadby-and-Wigston-Straße zählen zu den Stadtbäumen, die besonders unter dem Streusalz gelitten haben, das die Stadt im extrem strengen Winter vor einem Jahr einsetzen musste. Die Lindenreihe ist Opfer „problematischer Straßenentwässerungsplanungen und der Auswahl falscher Baumarten an Extrem-Standorten wie diesem“, heißt es im Bericht der Verwaltung – die Politiker im Umweltausschuss wollten wissen, wie sich der zusätzliche Einsatz von Streusalz auf die Straßenbäume ausgewirkt hat. Seit dem Winter 2012/13 räumt das städtische Betriebsamt auch die Radwege.

Die Folge: Die Bäume bekommen von zwei Seiten Salz an die Wurzeln. In den 80er-Jahren sei es Mode gewesen, das Wasser von der Fahrbahn möglichst in den Randbereichen der Straßen versickern zu lassen, also dort, wo die Bäume stehen, und auf Siele zu verzichten. Im Winter 2012/13 mussten die Baumwurzeln Salz von der Straße und von den Radwegen verkraften. „Das betrifft auch Baumreihen an der Poppenbütteler und der Ochsenzoller Straße, am Langenharmer Weg und an der Straße Syltkuhlen“, sagt Lorenzen.

In einem Modellversuch, der inzwischen bei anderen Kommunen viel Beachtung findet, wollen der Fachingenieur und sein Team die Lindenreihe an der Oadby-and-Wigston-Straße mit einem Bündel von Maßnahmen am Leben erhalten. Vom Erdboden bis in rund 40 Zentimeter Höhe haben sie die Stämme mit auffälliger schwarzer Plastikfolie umwickelt. Diese Manschetten sollen verhindern, dass die Linden am Stammfuß über ihre Rinde mit Streusalz belastetes Spritzwasser („Salzgischt“) aufnehmen, das die Autos aufwirbeln. „Außerdem sind die Manschetten sichtbares Zeichen, dass wir uns als Verwaltung um den Erhalt der Bäume bemühen“, sagt Lorenzen.

Zusätzlich wurde der Boden rund um die Linden belüftet. Der Gips, den die Fachleute gestreut haben, soll helfen, angelagertes Salz von der Baumwurzel zu lösen. Mulch wurde ausgebracht, um das salzbelastete Wasser zu filtern. Die Straßenbäume wurden zum Winteranfang speziell gedüngt, schließlich haben die Baumpfleger Pilze in den Boden gesetzt, um das Bodenleben anzureichern. „Es ist allerdings fraglich, wie aussagekräftig das Ergebnis ist, denn in diesem milden Winter haben wir kaum Streusalz eingesetzt“, sagt Lorenzen.

Die Baumschäden waren Anlass für die Politiker, den Einsatz des Taumittels im Umweltausschuss nochmals grundsätzlich zu beleuchten. Fazit des Betriebsamtes: Streusalz wirke optimal im Kampf gegen Eis und Schnee, andere Mittel wie Splitt, Granulat, Sand, Kies oder Asche seien problematisch. Bis 2000 setzte das Betriebsamt ein Salz-Sandgemisch ein. Nachdem die Glätte beseitigt war, blieb Streusand in Mengen im Rinnstein, an den Mittelinseln und auch auf der Straße liegen, heißt es im Verwaltungsbericht. Die Folge: Autos kamen bei Vollbremsungen ins Rutschen. Streusplitt müsse unter Umständen als Sondermüll entsorgt werden, was gegen den Einsatz spreche. Außerdem erzeugten abstumpfende Mittel Feinstaub, der die Luftqualität besonders in Städten und entlang stark befahrener Straßen beeinträchtigt und ein Gesundheitsrisiko darstellt.

Während früher 35 bis 40 Gramm Salz pro Quadratmeter gestreut wurden, genügen heute durch verbesserte Wetterprognosen und neue Dosiertechniken mit speziellen Sensoren, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und das auf der Fahrbahn vorhandene Restsalz erfassen, oft 7,5 Gramm. Somit gehe der jährliche Salzverbrauch in Norderstedt pro Einsatz und Kilometer deutlich zurück. „Davon profitieren auch die Straßenbäume in Norderstedt, die einen gewissen Überschuss an Salz ausgleichen können“, sagt der Fachingenieur, der bei Fällarbeiten, die aus Sicherheitsgründen notwendig sind, auch immer die Lebensräume von Baumbewohnern im Blick hat. Wo immer es möglich ist, lässt die Stadt abgestorbene Bäume beziehungsweise deren Stämme als wertvollen Lebensraum für Vögel, Fledermäuse, Insekten und holzbewohnende Kleinstlebewesen stehen.