Bei den Jugendfilmtagen geht es um die großen Themen in der Pubertät

Norderstedt. Fast alle Jungen haben mit 14 schon Pornos im Internet gesehen. „Und was die Darsteller da treiben, setzt sie unter Leistungsdruck“, sagt Jens Bodenberger. Da setzt der Diplom- und Sexualpädagoge an, versucht klarzumachen, dass es beim Sex nicht auf Penislänge und Techniken ankommt, sondern auf Gefühl, Zärtlichkeit und die Bereitschaft, miteinander zu reden. Zusammen mit seiner Kollegin Ruth Gremmels ist Bodenberger im Auftrag von pro familia in den Schulen unterwegs, um mit Kindern und Jugendlichen über Sexualität, Pubertät und Verhütung zu sprechen. Die beiden betreuen den gesamten Kreis Segeberg, sind gern gesehene Gäste und folglich ausgebucht bis zum Sommer.

Demnächst gibt es für die Sexualberater wie für die Schüler wieder einen beliebten Ausbruch aus dem Schulalltag: die Jugendfilmtage zu Sexualität, Liebe, Freundschaft, Aids. Am Mittwoch, 19. März, sehen sich Jugendliche und Lehrer zwei Filme im Norderstedter Spectrum-Kino an, einen Tag vorher im Cine Planet in Bad Segeberg. Pro familia, das Kreisgesundheitsamt, der Kinder- und Jugendschutz im Kreis Segeberg, Jugendakademie Segeberg und die Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt im Deutschen Kinderschutzbund haben den Vormittag im Kino gemeinsam auf die Beine gestellt. „Viele haben sich schon angemeldet, wir nehmen aber noch Anmeldungen an“, sagt Ruth Gremmels. Dazu einfach den Vordruck im Flyer zurückschicken, den die Organisatoren an alle Schulen verteilt haben.

„The Liverpool Goalie“ wendet sich an Fünft- bis Achtklässler. Jo ist 13 und geht nach dem Tod seines Vaters lieber auf Nummer sicher. Mädchen geht er aus dem Weg, und Fußball hält er für eine lebensgefährliche Sportart – bis Mari in die Klasse kommt. Sie ist hübsch, klug, mutig und eine tolle Fußballerin. Jo begreift, dass er aus der Deckung kommen muss, wenn er bei ihr punkten will. Aber wie? Als er endlich die begehrte Sammelkarte von Liverpools Torwart José Reina ergattert, scheint sich das Blatt zu wenden.

Die Älteren sehen sich den Film „Same, Same, But Different“ an

„Same, Same, But Different“, heißt der Film für die Älteren. Der junge Hamburger Ben trifft in einer Bar in Phnom Penh die junge Kambodschanerin Sreykeo und verbringt die Nacht mit ihr. Statt Liebe war es nur ein Geschäft – Sreykeo finanziert ihr Leben als Animierdame, ist auf das Geld der Männer angewiesen, um sich und ihre Familie zu ernähren. Dennoch bleibt Ben, kümmert sich um die junge Frau, muss aber zurück nach Hamburg, als ihm das Geld ausgeht. Auch von seiner Heimat aus schickt er jeden Cent, den er übrig hat, nach Kambodscha, damit Sreykeo nicht wieder als Bardame arbeiten muss. Doch dann trifft ihn der Schock, die junge Frau teilt ihm mit, dass sie HIV-positiv ist. Er fliegt nach Phnom Penh, erlebt Wochen voller Herausforderungen, Missverständnisse und Zweifel und muss schließlich eine Entscheidung treffen, die sein ganzes Leben verändern wird.

„Der Film ist ein ideales Mittel, um unsere Themen zu transportieren“, sagen Bodenberger und Gremmels, die zusammen mit ihren Partnern das Leinwanderlebnis mit Info-Ständen garnieren. Ein Glücksrad mit Quizfragen zum Thema, ein Computerspiel, bei dem ein Spermium gegen Krankheiten und Vernichtung kämpft, ein Holzpenis, um das richtige Benutzen eines Kondoms zu üben. „Über die Mitmachaktionen wollen wir natürlich auch mit den Schülern ins Gespräch kommen“, sagt Gremmels. Das wollen und müssen sie auch in den Schulen, in wenig Zeit Vertrauen aufbauen und die Jugendlichen zum Reden bringen. Oder erst mal zum Schreiben, anonym und nach Geschlechtern getrennt, formulieren die Schüler, was sie bewegt.

„Uns gegenüber sind die Jugendlichen meist offener als gegenüber dem Lehrer, der ja schließlich auch Noten gibt“, sagt Ruth Gremmels, die sich mit ganz unterschiedlichen Mädchenfragen konfrontiert sieht: Woran merke ich, dass ich verliebt bin, dass er mich gut findet, es ernst mit mir meint? Tut es weh beim ersten Mal? Muss ich das alles machen, was die im Porno machen? „Etwas machen müssen, was man nicht will – das sollte in der Liebe und Sexualität keinen Platz haben“, sagt die Beraterin. Doch um das festzustellen, muss man miteinander reden.

Ein cooler Spruch zum Thema und eine gewisse Gigantomanie stehen oft am Anfang, wenn Bodenberger mit den Jungen spricht. Die tauschen sich zwar untereinander aus, können aber nicht immer auf Erwachsene zurückgreifen, wenn sie Fragen haben. „Die Väter als Auf- und Erklärer sind zwar auf dem Vormarsch, aber immer noch in der Unterzahl im Vergleich zu den Müttern“, sagt Bodenberger, in dessen Gesprächen mit den Schülern Pornos eine zentrale Rolle spielen. Auch hier gebe es Leistungsdruck, etwa die Frage, wer das „krasseste Ding“ gucken kann. Bodenberger verbietet nicht, er will Kompetenz im Umgang damit vermitteln, Film und Wirklichkeit ins richtige Verhältnis rücken, einer Pornosucht vorbeugen.

Ganz wichtig für die Jugendlichen sind Treue und Ehrlichkeit

Insgesamt, so haben die beiden Sexualberater festgestellt, ist Wissen bei den Jugendlichen vorhanden. „Manchmal gibt es Lücken, ist nicht klar, wie ein Kondom übergestreift wird, oder welche Folgen es hat, wenn die Pille einmal vergessen wird“, sagt Ruth Gremmels. Alle vier Jahre befrage die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 17-Jährige zur Sexualität, ein Ergebnis: Die Jugendlichen gehen relativ verantwortungsvoll mit der Verhütung um. Und ein weiteres Ergebnis aus den regelmäßigen Fragen von Bodenberger und Gremmels: Treue und Ehrlichkeit rangieren ganz oben, wenn es darum geht, was sich Jugendliche von einem Partner oder einer Partnerin wünschen.