Freunde von Werner B., 46, vermuten, dass er beim Ausweichen auf der Schleswig-Holstein-Straße ums Leben kam

Norderstedt. War es vielleicht ein Reh, das den beiden Männern auf der Schleswig-Holstein-Straße zum Verhängnis wurde? Aus dem persönlichen Umfeld des 46-jährigen Fahrers, der am frühen Morgen des 19. Februars auf der Schleswig-Holstein-Straße gemeinsam mit einem 51-jährigen Arbeitskollegen ums Leben kam, stammt die Theorie, dass der Norderstedter Werner B. versucht haben könnte, einem Tier auszuweichen und dabei in die Bäume neben der Landesstraße geriet, an denen der Wagen von der Wucht des Aufpralls zerschmettert wurde. Die Polizei und die Gutachter des Unfalls prüfen diese Variante und halten sie für nicht unwahrscheinlich.

Seit 2003 kam es auf der Schleswig-Holstein-Straße zu 126 Wildunfällen

Franz H. Höpcker, Norderstedter Immobilienmakler, lebt an der Moorreihe in Harksheide. „Werner B. war mein Nachbar. Der beste, den man sich vorstellen kann.“ Hilfsbereit sei Werner B. gewesen, immer freundlich, immer nett. Er sei nicht verheiratet gewesen und habe keine Kinder gehabt. Er lebte mit seinen Eltern in dem Haus. „Unlängst waren die alten Herrschaften gestorben, Werner hatte gerade das ganze Haus renoviert. Und jetzt musste er bei so einem überflüssigen Unfall sterben“, sagt Höpcker.

Höpcker und viele Nachbarn in Harksheide tippen bei der Unfallursache auf Wildwechsel. In der Diskussion um die Sicherheit auf der Schleswig-Holstein-Straße kam dieser Aspekt noch gar nicht zur Sprache. Dabei gibt es auf der Landesstraße die meisten Wildunfälle in ganz Norderstedt. „Wir haben 40 bis 50 Unfälle im Jahr, die mit Wildwechsel zusammenhängen“, sagt Kai Hädicke-Schories, Verkehrsexperte der Norderstedter Polizei. „Von 46 Wildunfällen im vergangenen Jahr entfielen 18 auf die Schleswig-Holstein-Straße.“ Wer sich die Statistik der letzten zehn Jahre für die Straße betrachtet, kommt auf 126 Wildunfälle.

„Werner war ein großer Tierfreund. Gut vorstellbar, dass er einem Tier ausweichen wollte“, sagt Franz Höpcker. In seinem Garten habe er große Volieren mit Vögeln gehabt. Außerdem sei er im Schäferhund-Verein gewesen. Werner B. sei jeden Morgen von Norderstedt nach Langenhorn gefahren, um den 51-jährigen Kollegen zur Arbeit abzuholen. „Das war ein Ritual“, sagt Höpcker. Gemeinsam fuhren die beiden jeden Arbeitstag über die Schleswig-Holstein-Straße zur ihrem Arbeitgeber in Henstedt-Ulzburg, der Herbert Kluth GmbH, eine Vertriebsfirma für Trockenfrüchte, Nusskerne und Naturkost-Spezialitäten. „Werner kannte die Schleswig-Holstein-Straße in- und auswendig.“

Dass Wildwechsel für den Unfall von Werner B. ursächlich war, wird derzeit noch von einem Gutachter geprüft. Um Sicherheitsmängel auf der Schleswig-Holstein-Straße auszuschließen, die zu dem tödlichen Unfall von Werner. B und seinem Arbeitskollegen sowie den drei Unfällen mit weiteren vier Todesopfern in den letzten zwei Jahren beigetragen haben könnten, hat die Norderstedter Polizei den zuständigen Landesbetrieb für Verkehr um Prüfung gebeten. „Die haben alle Statistiken bekommen und haben demnächst auch das Gutachten des letzten Unfalls. Ob die prüfen und eventuell Maßnahmen ergreifen, entscheiden die nach eigenem Ermessen“, sagt Kai Hädicke-Schories.

Jäger Schippmann glaubt nicht, dass Warnschilder die Gefahr bannen können

Werner B.’s Nachbar Franz Höpcker wünscht sich Warnhinweise an der Schleswig-Holstein-Straße. „Bei all den Wildunfällen der letzten Jahre müssten dort längst Warnschilder für Wildwechsel stehen, am besten noch mit zusätzlichen Hinweisen auf die Brunftzeit.“ Er selbst habe vor Jahren einen Wildunfall auf der Strecke gehabt und erleben müssen, wie ein angefahrenes Reh erschossen wurde.

Doch für die Aufstellung von Warnschildern müsste erst einmal nachgewiesen werden, dass die Gefahr durch Wildwechsel wirklich unnormal hoch ist. Peter Schippmann ist der „Jagdausübungsberechtigte“ in Harksheide. Er hat ein Auge auf den Bestand an Wildtieren links und rechts der Schleswig-Holstein-Straße. „Ich glaube nicht, dass Warnschilder etwas an der Häufigkeit von Wildunfällen verhindern würden“, sagt er. Und ob sich der Wildwechsel in den letzten Jahren verstärkt hat, kann er auch nicht sagen. „Die Zählung der Tiere gestaltet sich schwierig. Entlang der Schleswig-Holstein-Straße liegen vier Reviere. Da werden Tiere schnell mal doppelt und dreifach gezählt.“ Den Bestand an der viel befahrenen Landesstraße zu kontrollieren, sei kaum möglich. „Wir können hier nicht schießen, weil einfach zu viele Menschen unterwegs sind“, sagt Schippmann.