Von Lentföhrden aus einmal um den Globus: Jana und Christian Berking sind am Freitag zu einer Weltreise gestartet – mit dem Fahrrad

Draußen ist es bitter kalt, etwa drei Grad unter null. In einem Waldstück vor den Toren Hamburgs haben Christian Berking, 43, und seine Frau Jana, 40, ein kleines Zelt aufgestellt. Sie schlafen wenig, denn der Wind bläst tüchtig. Die erste von 1094 Nächten auf ihrer abenteuerlichen Fahrradtour um die Welt wird zu einem echten Härtetest.

Am Freitag um 14 Uhr hatten sie sich in Lentföhrden von der Familie verabschiedet. Tränen flossen, als sie sich umarmten, und Christians Mutter Inge Schulze gab zu: „Ich kann nicht loslassen, ich habe große Angst um die beiden. Jede Nacht, wenn ich im Bett liege, denke ich: Hoffentlich passiert ihnen auf der langen Reise nichts.“ Ihr Lebenspartner wäre am liebsten mitgefahren. Inge Schulze und Hans-Peter Beyerlin wohnen in Noer im Kreis Eckernförde, erst vor einem halben Jahr erfuhren sie von den Reiseplänen.

IT-Fachmann Christian und Physiotherapeutin Jana freuen sich sehr auf das bevorstehende Abenteuer. Dafür sparten sie jahrelang jeden Euro. Jetzt haben sie alle Brücken hinter sich abgebrochen. Sie kündigten ihre Mietwohnung und lagerten Möbel und Hausrat ein. „Falls wir jemals wiederkommen sollten“, sagt Christian augenzwinkernd. Kater Balou und Katze Gina haben es bis dahin bei den Nachbarn gut.

Was treibt sie an? „Das kann es noch nicht gewesen sein“, sagten sich Christian und Jana, als sie vor zwei Jahren eine Bilanz ihres bisherigen Lebens zogen. „Komm, lass uns die Welt entdecken“, sagte Christian damals. „Es gibt draußen mehr zu entdecken als nur Beruf und Familie. Wir wollen raus aus der Komfortzone, sehen die Reise als Sprungbrett in eine andere Zukunft.“

Jana Berking stimmt ihrem Mann zu: „Wir wollen uns nicht unserem Schicksal ergeben, das Leben vielmehr in andere Bahnen lenken. Das ist unser Antrieb. Wir suchen nicht die Abgeschiedenheit. Für uns bedeutet Lebensqualität, mehr Zeit füreinander und für neue Freunde zu haben.“

Die neuen 27-Gänge-Tourenräder haben 2000 Euro gekostet

Das Leben mit und in der Natur soll für sie in den nächsten Jahren im Vordergrund stehen, auch das Entdecken fremder Kulturen und ihrer Menschen. Sie möchten ihre seelischen und physischen Grenzen ausloten und den Konsum auf das Notwendige beschränken. „Für uns ist es der Ausstieg aus alten Mustern und das Zulassen von neuen Ideen und Gefühlswelten“, betont Christian.

Sie machten sich auf den Weg. Die neuen 27-Gänge-Tourenräder, 2000 Euro teuer und gut belastbar, tragen ein Marschgepäck von 80 Kilogramm. In großen und kleinen Taschen ist alles verstaut, was man für eine solche Tour benötigt: Garderobe, Küchenartikel, Hygiene-Utensilien, Kochgeschirr, Reiseapotheke, Nassrasierer, MP3-Player, Digitalkamera, Notebook und vieles andere mehr – und natürlich das Zelt plus Seidenschlafsäcke.

Auf dem Hinterrad-Gepäckträger haben sie ihre Lieblings-Souvenirs befestigt: Christian seine Ukulele, mit der er am Lagerfeuer Musik machen kann, und Jana ihre neue Picknickmatte, weil sie es auch in freier Natur gerne bequem mag. Für den Fall, dass ein Fahrrad unterwegs mal streiken sollte, sind sie auch bestens gewappnet. „Wir haben bei einem Fahrrad-Workshop eine Menge gelernt“, berichten sie.

Lange haben sie überlegt, unter welchem Dach sie nachts schlafen sollen. Sie entschieden sich für ein Geodät, ein speziell konstruiertes Kuppelzelt mit erhöhter Eigen- und Windstabilität. Das Zelt bietet genügend Platz für zwei Personen, denn Christian ist 1,93 Meter groß. Ein Geodät ist unter Tourenfreunden bei extremen Unternehmungen erste Wahl.

Christian und Jana haben sich bestens vorbereitet. Als Erstes besuchten sie Janas Onkel Klaus Berking, der in Hamburg wohnt und dessen Hobby die Ahnenforschung ist. Er übergab seiner Nichte eine lange Liste mit E-Mail-Adressen in aller Welt. Alle tragen den Namen Berking. „Wenn wir in ein fremdes Land kommen, melden wir uns einfach bei den Menschen, die so heißen“, verrät Jana. „Ich bin überzeugt, dass einige uns weiterhelfen werden. Besonders wenn wir auf der Suche nach Arbeit sind.“

Behördliche Schwierigkeiten gab es nur beim Amt Kaltenkirchen-Land

Ein persischer Arzt aus Bad Bramstedt, dem sie von ihren Plänen erzählten, hat sie bei den Einreisemodalitäten in den Iran unterstützt, denn ohne eine persönliche Einladung kommt man in der Hauptstadt Teheran nicht durch den Zoll. Sie haben auch ein drei Monate gültiges Visum für die lange Fahrt durch China in der Tasche und die notwendigen Flugtickets ebenfalls.

Behördliche Schwierigkeiten gab es eigentlich nur am Tag der Abreise. Sie wollten sich beim Amt Kaltenkirchen-Land abmelden. Frage des Sachbearbeiters: „Wo ist ihr künftiger Wohnsitz?“ Antwort: „Wir machen eine Weltreise.“ Frage: Ich brauche aber ein Land.“ Antwort: „Schreiben Sie Tschechien.“ Der Sachbearbeiter notierte auf der Rückseite ihres Personalausweises: „Kein Hauptwohnsitz in Deutschland“ Darüber regten sich Christian und Jana nicht auf. Sie waren mit ihren Gedanken längst auf dem Weg. Ihr erstes Reiseziel: Dresden. Am Sonntag meldete sich Christian Berking per E-Mail bei seiner Mutter in Noer: „Herzliche Grüße vom Elbe-Radweg. Das Wetter ist schön, die Sonne scheint, wir fühlen uns wohl. So kann es bleiben.“

Christian und Jana Berking werden von Zeit zu Zeit für die Regionalausgabe Norderstedt des Abendblatts von ihrer Weltreise berichten.