Mehr als 20 Bürger ließen sich für das Kunstprojekt „Du und dein (W)Ort“ fotografieren

Kaltenkirchen. „Denke ich an Kaltenkirchen, dann denke ich an meine Schule“, sagt Susanne Steenbuck. Die 56-Jährige hat an einem Foto-Shooting vor dem Kaltenkirchener Rathaus teilgenommen. Das Künstlerpaar Ann-Kristin Jahrmann und Laurenz-Alexander Schettler machte mit dem Kunstprojekt „Du und dein (W)Ort“ vor dem Rathaus Station, fotografierte die Bürgerinnen und Bürger einen Tag mit einem Lieblingsstück in der Hand und fragte sie nach ihrer Meinung zu ihrem Wohnort. Das Ergebnis der Aktion sind viele bunte, interessante und spannende Geschichten.

Susanne Steenbuck hatte drei Schulhefte mitgebracht, darunter ihr Deutsch-Hausheft aus der Klasse 6c. „Ich bin in der Realschule Am Marschweg zur Schule gegangen“, sagt Steenbuck. Das war von 1967 bis 1973. Heute ist sie Erzieherin, Betriebsrätin und ehrenamtliche Kaltenkirchener Stadtvertreterin. „Ich finde diese Kunst-Aktion klasse, und deshalb mache ich auch mit. Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger sich mit ihrer Stadt auseinandersetzen“, sagt Steenbuck.

Hans-Christian Muxfeldt hat eine Zeichnung von der ehemaligen Kaltenkirchener Meierei mitgebracht. „Die Meierei habe ich von 1948 bis 1979 betrieben, und sie ist ein gutes Stück meines Lebens“, sagt der 85-jährige Molkerei-Fachmann. Nach der Schließung arbeitete Muxfeldt in einer Meierei in Oldenburg, später in der Schmelzkäserei Holsatia Bad Bramstedt.

Zum Kunstprojekt „Du und dein (W)Ort“ brachte ihn seine Tochter Kathleen Wiechmann. „Er hat so viel zu erzählen, da musste ich ihn einfach bitten, mitzumachen“, sagte Wiechmann, die sich ebenfalls auf den Foto-Stuhl im Zelt setzte. Siebenmal ist Wiechmann in Kaltenkirchen umgezogen: „Jetzt wohne ich am schönsten Platz, an der Straße Richtung Oersdorf.“

Vor dem Zelt hält eine weitere Kandidatin mit quietschenden Fahrradbremsen. „Ich war vorhin schon einmal hier, aber es war voll,“, sagt Monika Weber. In der Hand hält sie das Vogelbuch „Was fliegt denn da?“ aus dem Kosmos-Verlag. Dazu gibt es einen Stift, mit dem sie dem Buch auch noch die Vogelstimmen entlocken kann. Monika Weber erhielt vom Verein Aktiv Region Alsterland nach einem Lehrgang ein Zertifikat als Naturführerin. Wer Kaltenkirchens Umgebung entdecken will, erwandert sich die Region am besten mit der charmanten Blumen-, Pilz-, Kräuter- und Vogelexpertin. 14 verschiedene Wanderrouten hat sie für 2014 zusammengestellt (www.rausindienatur-weber-holstein.de).

„Es ist wunderbar, die verschiedenen Charaktere der Bürgerinnen und Bürger kennenzulernen, ihre Geschichten zu hören, ihre Gesichter zu fotografieren“, sagt Ann-Kristin Jahrmann, die den dokumentarischen Part des Kunstprojekts leitet. „Es ist 16 Uhr, und wir haben bereits 18 Kandidaten fotografieren und befragen dürfen, das ist eine tolle Quote“, sagt die Künstlerin, die schon mit ihrer lustigen bunten Bommelmütze ein Lächeln auf die Gesichter zaubert.

Normalerweise würden pro Tag 20Kandidaten in ihr Zelt kommen, das sie schon in Barmstedt und Bornhöved, in Husum, Schleswig und Niebüll aufbauten. Das Projekt ist landesweit konzipiert und soll auf Bundesebene ausgedehnt werden. Die Bürger-Porträts werden in Ausstellungen, in Print- und Digital-Medien erscheinen. Auch in Kaltenkirchen soll es eine Ausstellung geben. „Es geht um Identität und die Frage, was bin ich, welches Verhältnis habe ich zu dem Ort, in dem ich wohne“, sagt Jahrmann.