Nach dem Schlachthof-Skandal wird ihre schlechte Informationspolitik vorgeworfen

Kreis Segeberg . Ekelfleisch im Schlachthof – was wussten die Kreisveterinäre? Überraschender Abtransport von 155 Rindern – welche Rollen spielt das Kreisveterinäramt? Rückzahlung von Betreuungsgeld – wurden im Kreisjugendamt Fehler gemacht? Das sind Fälle, die in den vergangenen Tagen Diskussionsstoff lieferten. Die Segeberger Kreisverwaltung gerät zunehmend in die Kritik, die Politiker werden hellhörig. Wenige Wochen vor der Landratswahl kommt es zu einer Diskussion über die Leistungsfähigkeit und über das Informationsmanagement der Verwaltung.

In die öffentliche Kritik ist die Kreisverwaltung mit Landrätin Jutta Hartwieg an der Spitze vor zwei Jahren vor allem nach dem Fall des im Keller eingesperrten Kindes in Bad Segeberg gekommen. Scheibchenweise war die Verwaltung damals mit den Informationen über den Fall, der bundesweit als „Kellerkind-Skandal“ Schlagzeilen machte, an die Öffentlichkeit gegangen. Nach einer akribischen Aufarbeitung wurden im vergangenen Jahr die Konsequenzen gezogen: Es soll häufigere Fachkonferenzen geben, die Mitarbeiter des Jugendamtes sollen regelmäßig an Fortbildungsprogrammen teilnehmen, Supervision soll fester Bestandteil der Arbeit sein. Die Politiker waren sich einig, dass die Verwaltung die Brisanz des Falles zunächst nicht erkannt habe, das Vorgehen der scheibchenweisen Information falsch gewesen sei.

Aber es gab noch einen anderen „Kellerkind-Fall“, der zwar mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, bei dessen nachträglicher Aufarbeitung das Kreisjugendamt aber zu Beginn des Jahres Fehler und Versagen einräumen musste. In den 90er-Jahren waren Zwillinge bei Pflegeeltern ohne Nahrung über längere Zeit in einen Keller gesperrt worden, Mitarbeiter des Jugendamtes hatten nichts gemerkt. Weil einer der Zwillinge darüber kurz vor Weihnachten 2013 ein dokumentarisches Buch veröffentlichte, wurde der Fall bekannt.

Erheblichen Erklärungsbedarf haben viele Landwirte im Kreis Segeberg, die erleben mussten, dass bei einigen Kollegen nach Anweisung der Staatsanwaltschaft Rinder abtransportiert wurden. Zuletzt vor wenigen Wochen in Todesfelde. In allen Fällen geschah das nach Kontrollen von Kreisveterinären, die offenbar Anlass zur Kritik gefunden hatten. Eine öffentliche Erklärung wurde weder vom Kreisveterinäramt noch von der Landrätin dazu abgegeben.

Auch im Falle der Großrazzia und deren Folgen im Bramstedter Schlachthof wird die Rolle der Kreisveterinäre öffentlich hinterfragt. Nach Auskunft des niederländischen Fleischkonzerns Vion, dem Betreiber des Schlachthofes, soll der Betrieb regelmäßig von Amtstierärzten überwacht worden sein. Warum aber haben die amtlichen Tierärzte nichts von den Zuständen im Schlachtbetrieb gemerkt oder in ihren Berichten nichts davon erwähnt. Eine öffentliche Erklärung des Kreises Segeberg gibt es dazu bisher nicht. Man wolle sich erst ein eigenes Bild von der Angelegenheit machen, hieß es zuletzt. Dem Vernehmen nach soll die Landrätin zu einem Krisengespräch ins Landwirtschaftsministerium zitiert worden sein. Die Kreisverwaltung will das weder bestätigen noch dementieren.

Überhaupt hält sich der Kreis mit öffentlichen Erklärungen in jeder Hinsicht zurück: Es gibt bis heute keinen offiziellen Pressesprecher, die Landrätin selbst ist für Stellungnahmen nur selten zu erreichen.

All diese Ereignisse lassen bei den Politikern im Segeberger Kreistag Zweifel aufkommen: Ist die Landrätin wirklich kompetent genug, um eine Kreisverwaltung zu führen. Der Fall des Abtransportes von Rindern in Todesfelde hat die Mitglieder des Ausschusses für Ordnung, Verkehr und Gesundheit am Dienstag beschäftigt. Beschlossen wurde die Einrichtung eines Runden Tisches mit Politikern, Verwaltungsmitarbeitern und Betroffenen, um die Problematik zu erörtern.

Vor der Landratswahl am 3. April im Segeberger Kreistag bleibt Jutta Hartwieg die Kandidatin der SPD, aber wirklich amüsiert ist in der Fraktion vermutlich niemand über die Vorfälle in der Verwaltung. „Wir schlagen ständig mit der Faust auf den Tisch, werden aber immer wieder von der Aktualität eingeholt“, sagt die Fraktionsvorsitzende der SPD, Edda Lessing. „Es ist nicht erfreulich, was da abläuft.“

Grünen-Fraktionschef Arne Hansen wundert sich über das Kreisveterinäramt, das einerseits von Tierschützern gelobt, andererseits aber aktuell mit massiver Kritik überhäuft werde. „Wir wollen gründlich informiert werden; und das möglichst immer und auf Dauer.“ Claus Peter Dieck, Fraktionsvorsitzender der CDU und Landratskandidat seiner Partei, glaubt, einen Mangel in der Abarbeitung von Problemlagen festgestellt zu haben. „Es kann generell nicht sein, dass brisante Vorgänge in den Akten liegen bleiben“, sagt Dieck. „Alle sind fehlbar, aber es müssen bessere Kontrollmechanismen eingebaut werden. Wenn die Politiker über brisante Vorgänge aus der Presse erfahren, ist es schlecht.“

Heinz Michael Kittler, Fraktionschef der Linken, nimmt die Landrätin in Schutz und kritisiert die Mitarbeiter, die seiner Ansicht nach in vielen Fällen zu unsensibel reagieren. „Oft erfährt die Landrätin gar nicht, was vorgefallen ist, weil sie von ihren Mitarbeitern nicht informiert wird.“ Er habe deshalb den Antrag gestellt, in der Kreisverwaltung eine Informationspflicht der Mitarbeiter gegenüber der Landrätin einzuführen. „Wenn von der Staatsanwaltschaft Kühe aus dem Stall geholt werden, muss die Landrätin vorher eingebunden werden, weil doch klar ist, dass eine derartige Aktion in der Öffentlichkeit nicht besonders gut ankommt.“