Schüler tauchen ein in die Arbeitswelt – das Coppernicus-Gymnasium und das Unternehmen Jungheinrich kooperieren

Norderstedt. Acetylen bleibt im Unterricht abstrakt, die Wirkung von Kräften auch. Doch wenn Schüler erleben, dass das farblose Gas zum Schweißen gebraucht wird, und welche Kräfte wie wirken, damit Gabelstapler Lasten tragen können, steigen Verständnis und Motivation. „Deswegen versuchen wir, Lerninhalte so weit wie möglich mit der Praxis zu verknüpfen“, sagen Alexandra Skendzic und Traude Heißenberg. Die beiden Lehrerinnen vom Coppernicus-Gymnasium haben einen Partner gefunden, der Theorie anschaulich macht: Bei Jungheinrich erleben die Oberstufenschüler des naturwissenschaftlichen Profils, wie Metallteile mit dem Schweißbrenner dauerhaft und untrennbar zusammengefügt werden, wie sich der Schwerpunkt verändert, wenn Stapler Lasten aufnehmen, und wie der unverzichtbare Logistikhelfer gesteuert wird.

„Das ist schon interessant, die Produktionsprozesse mit eigenen Augen zu sehen“, sagt Nele, 15, die mit 21 Mitschülern einen Tag im Norderstedter Werk des international tätigen Gabelstaplerherstellers verbracht hat. Doch auch hier war die Theorie unverzichtbar. Die Gäste lernten zunächst, wie wichtig die Unfallverhütung und die Schutzvorschriften sind, und welche chemischen und physikalischen Prozesse ablaufen, damit der Draht schmilzt und die Schweißnaht zwei Metallstücke verbindet. Die Infos kamen von Schweißingenieur Martin Walter, der dafür extra seinen Arbeitsplatz verlassen hatte. Azubi Tom Minners hat den Schülern gezeigt, wie der Brenner gehalten wird und das Schweißen demonstriert, natürlich mit Schutzhelm und in einer abgeschlossenen Kabine.

Schüler und Lehrer profitieren, weil der Unterricht interessanter und abwechslungsreicher wird. Das Gymnasium stärkt das Nawi-Profil, das durch die Praxisnähe attraktiver wird. Auch Jungheinrich sieht Vorteile, hat die Kooperation hoch aufgehängt, Werkleiter Oliver Lücke ist in das Projekt eingebunden. Das Unternehmen, mit 1300 Beschäftigten zweitgrößter Arbeitgeber in Norderstedt, hofft auf Nachwuchs. „Bis 2020 wird auch uns der Mangel an Fachkräften erreichen“, sagt Barbara Möbius, die die Zusammenarbeit mit dem Gymnasium koordiniert – und immer wieder ans Handy muss. „Es gibt viel abzustimmen, schließlich läuft der normale Produktionsprozess ja weiter. Was wir zeigen, ist live“, sagt die Koordinatorin. In der 90 Meter langen Werkstraße entsteht alle 15 Minuten ein Gabelstapler.

Industriemechaniker und Mechatroniker werden gebraucht – Berufe, die zunehmend für Abiturienten interessant werden. „Ihr Anteil steigt, jeder vierte Auszubildende hat inzwischen Abitur“, sagt Ausbildungsleiter Eckhard Hecht. Ganz behutsam nimmt auch die Frauenquote zu. Einige der technischen Auszubildenden sind junge Frauen. „Es dürften gern mehr sein, denn mit den weiblichen Lehrlingen machen wir durchweg gute Erfahrungen, sie sind fleißig und ziehen die männlichen Kollegen leistungsmäßig nach oben“, sagt Hecht.

Mehr Mädchen und Frauen in die Naturwissenschaften – das wünscht sich auch Sabine Fernau von NAT. Die Hamburger Initiative möchte mehr junge Menschen für die Natur- und Ingenieurwissenschaften begeistern. Dafür initiiert und begleitet sie die Kooperation von derzeit mehr als 30 Hamburger Schulen mit Hochschulen und Unternehmen aus der Region. Wissenschaftler und Ingenieure helfen mit, den naturwissenschaftlichen Unterricht attraktiver und praxisbezogener zu gestalten. Und NAT geht ins Umland, will auch in Schleswig-Holstein Jugendliche für Physik und Mathe, für ein Maschinenbau- oder Elektrotechnik-Studium begeistern.

Über die Initiative ist die Schule bei der Veranstaltung „Wirtschaft trifft Schule“ der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt mit Jungheinrich zusammengekommen (s. Info-Kasten). Die Copp-Schüler werden auch künftig regelmäßig in die Arbeitswelt hineinblicken. Auch das Gymnasium Harksheide hat einen Partner aus der Wirtschaft gefunden und arbeitet mit der Sparkasse Holstein zusammen.