Das erste Maritime Festival im Festsaal am Falkenberg war ein voller Erfolg. Die Swing Gala im Kulturwerk wurde wieder begeistert gefeiert

Norderstedt. Im Festsaal schunkelte es, im Kulturwerk regierte der Swing. Egal, ob es maritime Lieder mit den Moorbekschippern sind, Schlager mit den Inseldeerns aus Wilhelmshaven, Hamburger Döntjes mit Volksliedsammler Jochen Wiegandt oder feiner Jazz mit den Fishhead Horns, Bassist Johannes Huth, Sängerin Julia Scherlinski und Trompeter Torsten Maaß – wenn in Norderstedt die Musik brummt, sind die Säle voll.

Das Publikum im Festsaal am Falkenberg riss es beim ersten Norderstedter Maritimen Festival des Shantychors Moorbekschipper sogar von den Stühlen, als die Moorbekschipper mit ihren Liedern den Saal schunkelten. Chorleiterin Cora Satori hatte die weiße Kapitänsmütze auf, und ihre Mannschaft vom Bootsmann bis zum Smutje folgten ihr brav. Viele szenische Einfälle zu den Liedern amüsierten die Zuschauer im voll besetzten Festsaal sprichwörtlich wie Bolle. Sie nahmen sich in die Arme, schunkelten über alle Stuhllehnen hinweg, sprangen im Rhythmen der Lieder auf und nieder. „Anchors Aweigh“, „Leinen los und an den Wind“ und „Die Windjammer“ hießen die abendlichen Muntermacher, und der Jubel war der bestens aufgelegten Männergesangsriege gewiss. Bei „Kari Waits For Me“ überreichte die Dirigentin einer Dame namens Karin in der ersten Reihe stellvertretend für alle Karins eine Rose, eine nette Geste.

Diese Geste zeigt, dass der Shantychor mit seiner Leiterin nicht einfach nur Lieder abspult, sondern das Programm bewusst und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Dazu gehörte auch der Auftritt Satoris als auf ihren Seemann an Land wartende Ehefrau, die ihm nach mehr als neun Monaten Abwesenheit von Tisch und Bett ein Neugeborenes präsentiert – mit einer schwarzen Babypuppe in einem schnieken weißen Spitzensteckkissen.

Das war die szenische Umsetzung des Döntjes, den Jochen Wiegandt vorher erzählte, die Anekdote vom Seemann, der nach vielen Monaten auf See seine Mutter anruft, ihm vom häuslichen Baby-Glück erzählt und davon, dass das Baby ziemlich dunkel aussieht. Seine Frau habe es ihm erklärt, dass sie keine Muttermilch habe und das Kind deshalb von einer schwarzen Amme ernährt wurde. Die Mutter: „Ich hatte auch keine Muttermilch und habe dir deshalb Kuhmilch gegeben, deshalb bist du jetzt auch so ein großes Rindvieh.“

Der Witz ist alt, aber das Publikum fand ihn wundervoll, jubelte und applaudierte Wiegandt von Herzen. Das auch für seine hörenswerten Ausflüge in die Geschichte der Hamburger und Schleswig-Holsteiner Volkslieder, die er mit dem Hamburger Abendblatt und dem NDR sammelt und ergründet. Das Buch dazu mit dem Titel „Singen Sie Hamburgisch!“ ist im Verlag Edel Germany erschienen und für 19,95 Euro im Buchhandel zu haben. Es ist Wiegandts großer Verdienst, Hamburger Lieder vor dem Vergessen zu retten, ihre Ursprünge zu erfassen und die vielen Abwandlungen, die sie bis heute erfahren haben. Es ist auch sein Verdienst, das Lied „An de Eck steiht ’n Jung mit ’n Tüdelband“ eindeutig wieder den Brüdern Wolff zuzuordnen. In der NS-Diktatur wurde der Name der Wolffs gestrichen. Sie waren Juden.

Wiegandt ging einen engen Dialog mit dem Publikum ein und bat erneut darum, ihm Lieder und Geschichten zu schicken, egal, ob Hoch- oder Plattdeutsch oder Missingsch. Er erklärte auch die Ursprünge einiger Begriffe, griff zur Gitarre und stellte die Lieder in verschiedenen Variationen vor.

Nicht Maritimes, dafür Schlager gab es im ersten Konzertteil des Festivals mit den Inseldeerns aus Wilhelmsburg. Die schrägen Mädels hatten sich in mehr oder weniger knappe und tief ausgeschnittene Glitzer-Fummel geworfen und brachten ihre Schlager-Medleys mit viel schriller Verve und Stimmkraft über die Rampe. Im zweiten Teil sangen auch die Inseldeerns unter der Leitung der Brasilianerin Suely Lauar im engen Roten Maritimes, darunter „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ bis zu „The Drunken Sailor“. Fazit 1: Die Moorbekschipper dürfen das zweite Maritime Festival planen.

Vom Festsaal ins Kulturwerk. Die Norderstedter Bigband Fishhead Horns jazzte bei der Swing Gala 2014 den großen Saal. Unter der Leitung des bekannten Bassisten Johannes Huth spielte die Bigband quer durch Jazz und Swing. Huth konnte seinen Freund Torsten Maaß davon überzeugen, dass er im Kulturwerk bestes Spiel habe. Mit „Shiny Stockings“ eröffneten die Norderstedter Fischköppe, die zum Musikverein Norderstedt gehören, das Konzert. „Da ist alles drin, was Bigband ausmacht“, sagte Huth.

In sensibleren Songs wie „Love Is Here To Stay“ mit Sängerin Julia Scherlinski verkleinerte sich die Bigband zur Combo. Scherlinski überzeugte mit klarer, leicht rauchiger Stimme, gutem Timbre und Ausdrucksstärke. Das wunderbare „Chega de Saudade“, die heimliche brasilianische Nationalhymne von Antonio Carlós Jobim, verpoppte sie allerdings. In Georgia gelang auch Scherlinski endlich der Groove. Den hatten vor allem die Fishhead Horns drauf. Und den Blues. Verstärkt mit vier Geigen, Bratsche und Bass, den Huth spielte, brachten sie ein feines „In A Sentimental Mood“. Torsten Maaß hingegen war der Solo-Star. Der 46-jährige Jazzer und Komponist spielte mit der Bigband auch Eigenes, darunter „Everytime You Smile That Smile“, ein herrlich schmusiger Song, in dem er auf seiner Trompete ein Zauberstück hinlegte. Feinen Jazz boten Maaß und Huth im Duo mit „Lady Be Good“. Mit „Miss Marple“ ließen die Fishhead Horns mit ihren Solisten noch einmal so richtig die Post abgehen und ernteten rhythmischen Applaus. Fazit 2: Die Swing Gala 2015 darf kommen.