Weil der 26-jährige Mario E. einen Racheakt befürchtet, sitzt er freiwillig in Untersuchungshaft

Hardebek/Kiel. Im Landgericht Kiel steht am Dienstag, 25. Februar, ein Verbrechen auf der Tagesordnung, das die Bewohner des kleinen Dorfes Hardebek erschüttert. Vor der Zehnten Strafkammer muss sich der 26-jährige Mario E. verantworten, weil er eine blinde Frau aus dem Ort vergewaltigt haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seinem Opfer gezielt aufgelauert zu haben. Die Frau lebt in Hardebek in einer Behinderteneinrichtung.

Das Landgericht hat drei Verhandlungstage anberaumt und mehrere Zeugen geladen. Außerdem wird ein psychiatrischer Gutachter den Angeklagten während des Prozesses beobachten und untersuchen, inwieweit der Angeklagte schuldfähig ist. Mario E. sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft. Die Polizei hatte ihn am 8. Juli 2013 auf einem Bauernhof in Borstel festgenommen. E. hatte sich im Dezember nicht juristisch gegen eine Verlängerung der Untersuchungshaft zur Wehr gesetzt, da er sich nach Informationen des Abendblatts im Gefängnis sicher fühlt und Racheakte fürchtet, sobald er freigelassen wird. „Er hat kein Problem mit der Haft“, heißt es auch Justizkreisen.

Die Beweislage ist erdrückend. Nachdem der Täter der Frau mit einem Auto gefolgt war und sich in einem Gebüsch an ihr vergangen hatte, warf er das Kondom weg. Daran fand die Polizei die DNA von Täter und Opfer. Das Amtsgericht Neumünster erließ Haftbefehl. Der psychiatrische Gutachter wird sich auch mit sexuellen Übergriffen beschäftigen, die nicht vor dem Landgericht angeklagt sind. Dazu gehören Taten, die E. als Kind begangen haben soll. Weitere Delikte sollen in die Jugendzeit von E. fallen.

Dazu gehören im Jahr 2006 ein sexueller Übergriff auf ein schlafendes Mädchen in ihrer Wohnung sowie der Vorwurf, im selben Jahr während eines Dorffestes ein völlig betrunkenes Mädchen genötigt zu haben. E. gilt als unterdurchschnittlich intelligent und ist der Polizei bereits wegen Einbrüchen, Diebstählen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen bekannt. Er wuchs in Hasenkrug an der Dorfstraße auf einem Bauernhof auf. Die meisten der zehn Kinder schliefen in einem Stall in Schweinekoben. Die Betten standen im Gestank. Auf der anderen Seite der Wand züchtete der Vater Ferkel.

Nachdem ein Feuer Mitte der 90er-Jahre Kinderzimmer im Obergeschoss des Hofes zerstört hatte, wurden die Räume nur provisorisch wieder hergerichtet. Die Jungen und Mädchen lebten zwischen schwarzen Wänden. Die Tapeten, die das Löschwasser gelöst hatte, hingen herunter. Den Kühlschrank hatten die Eltern mit einem Vorhängeschloss gesichert.

Fast alle Kinder der Familie verließen die Grundschule nach ein bis zwei Jahren und besuchten die Sonderschule. Mario E. musste als Jugendlicher von der Schule gehen, nachdem er einen Lehrer niedergeschlagen hatte. Nur eines der Kinder schaffte einen Schulabschluss.