Landwirt Dieter Scherrer aus Todesfelde bangt um seine Existenz. Die Behörden verteidigen ihr Vorgehen

Kreis Segeberg. 155 Rinder abtransportiert – was steckt hinter dem Fall, der dem Landwirt Dieter Scherrer aus Todesfelde die Grundlage für seine berufliche Existenz gekostet hat? Die Staatsanwaltschaft hatte die Milchkühe beschlagnahmen lassen. Zu Unrecht, sagt der Landwirt. Die Behörden sehen das anders. In den vergangenen Jahren hat es im Kreis Segeberg offenbar schon häufiger Fälle dieser Art gegeben.

Dieter Scherrer ist seit 34 Jahren Milchbauer. Auf seinem Hof an der Poststraße in Todesfelde steht ein Rinderstall, der nach modernsten Gesichtspunkten errichtet und vor zwölf Jahren in Betrieb genommen worden ist. Weil die Landwirte ab April 2015 wieder so viel Milch produzieren dürfen, wie sie wollen, hatte der Todesfelder begonnen, seinen Milchviehbestand aufzustocken. „Ich wollte expandieren“, sagt Dieter Scherrer. Aber es kam anders: Keine Expansion, sondern eine Schrumpfung auf Null. Für das Dilemma gibt es seiner Ansicht nach zwei Schuldige: das Kreisveterinäramt und die Staatsanwaltschaft. Er selbst sieht sich nicht in der Verantwortung.

Darum geht es in diesem kuriosen Fall, den auch das renommierte „Bauernblatt“ aufgegriffen und zum Thema gemacht hat: Als Dieter Scherrer gerade die morgendliche Fütterung seiner 155 Rinder vorbereiten und auch die Melkmaschine klarmachen wollte, tauchten plötzlich Polizeibeamte in seinem Stall auf und führten den Landwirt ins Wohnhaus, wo auch die zuständige Staatsanwältin bereits eingetroffen war. Während der anschließenden Hausdurchsuchung musste Scherrer das Gebäude wieder verlassen. Er konnte beobachten, wie fünf Viehtransporter anrollen, in denen die Tiere schließlich abtransportiert wurden.

Ein harter Schlag für den Landwirt, dessen einzige Einnahmequelle der Verkauf von Milch ist. Rund 1300 Liter Milch konnte er täglich an die Meierei Struvenhütten liefern. Dafür kassierte er täglich 600 Euro. Den Wert des Viehbestandes beziffert Dieter Scherrer auf rund 130.000 bis 200.000 Euro.

Einen Tag zuvor war eine Tierärztin, Mitarbeiterin des Kreisveterinäramtes, auf seinem Hof, um den Betrieb zu inspizieren. Dabei waren Missstände entdeckt worden: Krankheiten, schlechter Ernährungszustand bei einzelnen Tieren, unsaubere Liegeboxen, nicht für alle Tiere gleichbleibend gutes Futter. Zudem seien einige kleinere Reparaturen nötig gewesen. „Keine großen Sachen, das hätte ich in kurzer Zeit abstellen können“, sagt Dieter Scherrer. Dazu aber ist er nicht mehr gekommen: Schon am nächsten Morgen wurden die Tiere abtransportiert. Sie stehen jetzt in einem Stall in Lunden im Kreis Dithmarschen.

Viele Landwirte im Kreis Segeberg empören sich über diesen Fall – zumal es in jüngster Vergangenheit ähnliche Fälle gegeben haben soll. Dieter Scherrer selbst schaltete Anwälte ein, die wiederum Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Staatsanwältin einlegten. „Es handelt sich hier um Lebewesen, mit denen schließlich jeden Tag etwas passieren kann“, sagt Dieter Scherrer. Das „zottelige“ Aussehen etlicher Rinder erklärt Scherrer mit dem Umstand, dass sie bis Anfang Dezember artgerecht auf der Weide gewesen seien. Als Futter verwende er den „ersten Schnitt“. Nach Angaben Scherrers das beste Futter überhaupt.

Kreisveterinäramt und Staatsanwaltschaft sehen vieles anders als der aufgebrachte Landwirt in Todesfelde. „Wenn Herr Scherrer die Mängelliste wirklich abgearbeitet hätte, wäre es nicht zum Abtransport der Rinder gekommen“, sagt Dr. Kurt Warlies, Leiter des Kreisveterinäramtes. „Wenn wir den Verdacht haben, dass gegen das Tierschutzgesetz verstoßen wurde, reagieren wir darauf.“ Birgit Heß, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Kiel, spricht von „schlechten Haltungsbedingungen“. Der Hof sei schon seit längerer Zeit auffällig.

Ralph Judisch hat sich als Chefredakteur der Fachzeitschrift „Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg“ speziell mit diesem Fall beschäftigt. Er weiß, dass Dieter Scherrer schon seit zwei bis drei Jahren immer wieder Auflagen erhalten habe und nicht unbedingt einen „Vorzeigebetrieb“ leite. Allerdings sagt er auch: „So wie die Staatsanwaltschaft sich verhalten hat, ist es nicht normal.“ Fälle dieser Art kämen eher selten vor. „Doch wer dagegen wettert, von Behördenwillkür spricht und sich dieser gegenüber als machtlos empfindet, muss lernen, die Zeichen besser zu verstehen“, schreibt Ralph Judisch in seinem Leitartikel in der jüngsten Ausgabe des „Bauernblattes“. Klar sei auch: „Jeder Landwirt, der seinen Betrieb nach den heutigen Maßstäben in Schuss hat, kann Kontrollen gelassen entgegen sehen.“

In der Ausgabe des „Bauernblattes“, die in der kommenden Woche erscheint, berichten Judisch und seine Kollegin Kirsten Müller von einem Besuch auf dem Dithmarscher Hof, wo die 155 Rinder vorübergehend untergestellt sind. Er mache einen guten Eindruck. In der luftigen Halle seien manche Tiere dürr und abgemagert, die Herde werde von bis zu sieben Tierärzten behandelt und versorgt. „Allerdings mussten mehrere Rinder notgeschlachtet werden.“ Insider hätten von Euterentzündungen und Klauenkrankheiten berichtet. Alle bisher gemolkenen Kühe seien trockengestellt worden.