20.000 Unternehmer in Schleswig-Holstein werden in den nächsten zehn Jahren aufhören. Es gibt kaum Nachfolger

Kreis Segeberg. Die Konjunktur läuft, die Auftragsbücher sind gefüllt. Und doch zeigt die Wirtschaft ein Problem, das an Brisanz gewinnt: Die Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen erreichen die Altersgrenze, sie brauchen Nachfolger – und finden keine. Oder sie wollen nicht loslassen, sich der Aufgabe, ihren Betrieb an einen Jüngeren zu übergeben, nicht stellen. Rund 20.000 Unternehmen stehen in Schleswig-Holstein in den nächsten zehn Jahren zur Übergabe an. Davon gehen die Handwerks- und Handelskammer Lübeck aus. Genaue Zahlen und Erkenntnisse soll eine gemeinsame Umfrage der Kammern bringen.

„Wir haben alle inhabergeführten Unternehmen in Schleswig-Holstein, in denen das Thema aktuell sein könnte, angeschrieben“, sagt Thoralf Jarck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Lübeck und zuständig für die Kreise im Hamburger Umland. Die Kammern hätten Kontakt aufgenommen zu jedem Unternehmer, der 55 Jahre und älter ist. Und das seien eben rund 20.000. Die Antworten sollen auch Ergebnisse für die einzelnen Kreise bringen. Ulf Grünke, Sprecher der Handwerkskammer Lübeck, schätzt, dass jeder zweite Adressat Handwerker ist. Grünke: „In jedem dritten der landesweit etwa 30.000 Handwerksbetriebe dürfte in den kommenden zehn Jahren eine Nachfolgeregelung erforderlich sein.“

Einen weiteren Anhaltspunkt liefert eine aktuelle Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM). Dessen Mitarbeiter haben den Zeitraum 2014 bis 2018 beleuchtet. Sie sprechen von schätzungsweise 4800 Unternehmen im nördlichsten Bundesland, die in diesem Zeitraum zur Übergabe anstünden. Und an denen hingen knapp 70.000 Arbeitsplätze.

Die Zahl der Handwerksbetriebe werde in den nächsten Jahren schrumpfen, befürchtet Carsten Bruhn, stellvertretender Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mittelholstein. Auf zwei Firmeninhaber, die in Ruhestand gehen wollen, komme nur ein potenzieller Nachfolger. „Die Bereitschaft, ins unternehmerische Risiko zu gehen, sinkt“, sagt Michael Kahl, Kreishandwerksmeister aus Bad Bramstedt. Das gelte auch für die Bereitschaft der Banken, die Übergabe zu finanzieren. Hinzu komme die demografische Entwicklung, die Handwerker hätten zunehmend Schwierigkeiten, Lehrlinge zu finden. Selbst wenn die Nachfolge innerhalb der Familie geregelt werden könnte, klappe das nicht immer, weil Vater und Sohn sich nicht verstehen.

„Bei uns ist das kein Problem, wir kommen gut miteinander aus“, sagt Günther Stapelfeldt vom gleichnamigen Fachbetrieb für Haustechnik in Norderstedt, der als Vizepräsident der Handwerkskammer auch über das eigene Unternehmen hinaus mit dem Thema befasst ist. Der 62-Jährige hat den Betrieb mit fünf Gesellen, einem Meister, Bürokräften und zwei Lehrlingen an seinen Sohn Hendrik übergeben. Momentan sind Junior und Senior gleichberechtigte Partner, der Ältere will sich Schritt für Schritt zurückziehen. „Wir haben unseren Sohn nie ins Geschäft gedrängt. Er hat sich von selbst für die Übernahme entschieden“, sagt Günther Stapelfeldt, der den Betrieb schon von seinem Vater übernommen hat. Hendrik habe eine Lehre gemacht, den Meister und seinen Betriebswirt im Handwerk.

Die Suche nach einem Nachfolger sei ein Prozess, der mindestens fünf Jahre, eher länger beansprucht. Doch nur wenige denken mit 55 an die Betriebsübergabe. „Insbesondere in einer von positiven Zahlen geprägten Zeit wie dieser. 90 Prozent der Handwerker sagen, sie seien gut oder zumindest befriedigend ausgelastet. Wer so viel zu tun hat, lässt den Gedanken an die Nachfolge in den Hintergrund treten“, sagt Ulf Grünke. Ein potenzieller Nachfolger müsse rechtzeitig in die Abläufe eingebunden werden, sagt Stapelfeldt. Und: Wer ausschließlich auf den Betrieb als Altersvorsorge setzt und einen hohen Preis verlangt, bürde einem Nachfolger enorme finanzielle Lasten auf. „Das drückt auf die Motivation“, sagt der Unternehmer.

Er rät allen, sich frühzeitig um die Nachfolge zu kümmern. Das sei das A und O. Die Kammern helfen dabei gern und kompetent. „Wir haben qualifizierte Berater, kümmern uns um die Betriebsanalyse und bringen die Inhaber mit Interessenten zusammen“, sagt der Vizepäsident.