Das Stadtmuseum Norderstedt zeigt die Wunderwelt des DDR-Sandmanns mit seinen skurrilen Fahrzeugen in einer liebevoll gestalteten Ausstellung

Norderstedt. Ein kleiner Kerl mit einer roten Zipfelmütze. Und einer gelben Cordhose. 24 Zentimenter ist das kecke Männchen gerade mal hoch, aber trotzdem ein stattlicher Mitfuffziger. Es kommt in einem seiner vielen Fahrzeuge immer dann herangebraust, wenn kleine Leute ins Bett gehen. Denen streut er Sand in die Augen, damit sie gut schlafen und süß träumen. Wenn das Sandmännchen da ist, gehen kleine Leute zur Ruh und schließen ihre Äuglein zu.

Aber nicht im Stadtmuseum Norderstedt. Dort hat das Sandmännchen jetzt seinen Fuhrpark aufgebaut, seine Märchenwelten vom Kanu fahrenden Indianern über Kühe am Bahndamm, auf dem gerade eine blaue Lok vorbei tuckert, bis zu abenteuerlichen Flugobjekten und einen Rettungseinsatz der Feuerwehr, die einen Papagei vom Baum holt. Winfried Kujas ist der Mann, der diese schillernde Sandmännchen-Welt mit vielen liebevoll gestalteten Szenen in der Ausstellung „Sandmännchens Traumwelt – Puppen, Modelle, Autos“ aufgebaut hat.

Der 73-Jährige war Produktionsleiter des Sandmannstudios beim Deutschen Fernsehfunk DFF, nach der Wende die Trickfilm GmbH in Berlin. Nicht West. Sondern Ost. Hauptstadt der DDR bis 3. Oktober 1990, dem Tag der deutschen Wiedervereinigung. Das Sandmännchen ist eines der ganz wenigen Dinge, das seine westdeutsche Konkurrenz im Regen stehen ließ. Denn die ganze Sandmännchen-Welt-Ost war so detailgetreu gemacht, dass sie der Hit aller Kinder wurde. Ost und West. Kujas kümmert sich seit 1961 um die Schlafmütze der DDR, deren Nachfolger heute vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, RBB, produziert wird.

Flugzeugbauer Harald Serowski konstruierte Sandmännchens Schlitten

Viele Trickfilm-Puppen und -Tiere hat Winfried Kujas in den Wirren der Wende vor dem Wegwerfen gerettet. „Ich habe auf das Copyright gepocht, dass wir als Trickfilmer hatten“, sagt Kujas, als er die Wunderwelt im Stadtmuseum aufbaut. Beispielsweise die verwegenen Vehikel, mit denen das Sandmännchen aus der großen weiten Welt via Fernseher direkt in den Wohnzimmern landete.

Vorbild für die knuffige Figur war Ole Lukøje aus dem Märchen „Oles Augenschließer“ von Hans Christian Andersen. Sandmanns coole Schlitten hat einer gebaut, der normalerweise Flugzeuge konstruierte. Harald Serowski erfand die meisten Fantasie-Fahrzeuge, die tollkühnen Kisten, die Sandmann-Shuttles im Miniatur-Maßstab. Heute gehören die Fahrzeuge dem Deutschen Rundfunkmuseum.

Gerade die liebevolle Gestaltung macht den Charme dieser Vehikel aus, darunter die Modelle des Dresdner Elbraddampfers, die Magdeburger Trambahn, der Doppelstockwagen der ehemaligen Deutschen Reichsbahn mit dem Logo DR. „Nach der Wende bat man uns, die DDR-Fahnen von den Modellen zu entfernen, das aber wäre eine Verfremdung gewesen“, sagt Kujas. Das Sandmännchen sei nun mal eine DDR-Geschichte, und zwar eine erfolgreiche.

Der Grund: Die Modellbauer waren kreativ und hatten Humor. Und vor allem eines: Zeit. Viel Zeit. Niemand musste auf Honorarbasis sein Geld verdienen, alle waren fest beim Rundfunk angestellt, insgesamt 118 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein paradiesischer Zustand. Material-Knappheit? Not macht erfinderisch, und so bauten sie beispielsweise die Bahn-Schienen aus Gardinenstangen und die Rundumleuchten für die Papierkorb-Entleerungsmaschine aus DDR-Salzstreuer.

„Es dauert 14 Tage, bis eine Trickpuppe fertig ist“, sagt Kujas. Beispielsweise der Wasserkobold Plumps, der Knubbel mit den blauen Haaren. Oder Rapunzel. Oder die Tram- und Lokomotivführer. Heute sind sie Kult. Schneller als die Puppenmacher war Wolfgang Richter. Der Komponist hat die Sandmann-Melodie in nur zwei Stunden entwickelt. Die Geschichten, die das Sandmännchen spielt, haben auch Zuschauer geschrieben, „darunter viele ältere Leute, die aus ihrem Erfahrungsfundus berichteten“, sagt Kujas. Viele Szenen wurden mit Kindern entwickelt.

Heute begleitet Winfried Kujas seine Schützlinge quer durch Deutschland mit der Ausstellung „Sandmännchens Traumwelt“. In Meißen beispielsweise sahen 27.000 Besucher die Schau. „Das wünsche ich mir für Norderstedt auch“, sagt Hajo Brandenburg. Der Leiter des Feuerwehrmuseums Schleswig-Holstein hat Sandmännchens Traumwelt ins Stadtmuseum geholt.

„Sandmännchens Traumwelt – Puppen, Modelle und Fotos“ ist bis 30. März, mittwochs bis sonnabends von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr, im Stadtmuseum am Feuerwehrmuseum am Friedrichsgaber Weg 290 in Norderstedt zu sehen. Eintritt: vier Euro, ermäßigt zwei Euro, Linder bis zwölf Jahre haben freien Eintritt. Sonntag, 16. Februar, werden um 14 und um 16 Uhr in der Ausstellung Märchen vorgelesen. Sonntag, 23 Februar, und Sonntag, 9. März, wird von 14 bis 17 Uhr zum Thema Sandmännchen gemalt und gebastelt.