Am 4. Februar 1974 gründeten elf Oersdorfer einen Bürgerverein. Heute ist dort fast jeder dritte Einwohner Mitglied

Oersdorf. Wenn jemand wie Günter Braun über Jahrzehnte einer Gemeinde treu geblieben ist, sich für den Ort aktiv eingesetzt hat, dann ist es für ihn ein Leichtes, eine Frage wie diese zu beantworten. Warum ist denn gerade Oersdorf so lebenswert? „Hier kommt eine Vielfalt an Interessen zusammen. Hier leben Piloten, Lehrer, Künstler oder Musiker der Hamburger Philharmoniker. Das kulturelle Leben ist sehr reichhaltig.“

Günter Braun, der bis zu seiner Pensionierung erst als Zimmermann und später als Bauingenieur arbeitete, muss es wissen, denn er hat Oersdorf wachsen sehen. Zwar nicht von Kindheit an – der 86-Jährige wurde 1927 in Hirschberg, dem heutigen Jelenia Gora (Polen), in Niederschlesien geboren. In den Nachkriegswirren gelangten er und seine Familie als Flüchtlinge zunächst bis nach Itzehoe. Doch seine tatsächliche neue Heimat, die fand Braun erst 1962 im Kreis Segeberg.

„Wir haben uns in Oersdorf ein Grundstück gekauft, sind dann 1964 eingezogen. Damals zogen viele Neubürger in die Region, weil die Bauern ihr Land verkauften. Und Oersdorf lag in der Nähe von Kaltenkirchen, was günstig war.“

Die Ortschaft wuchs also beständig. „Als zugezogene Bürger wollten wir uns eine Stimme verschaffen“, erinnert sich Günter Braun. „Es war eine zündende Idee, den Bürgerverein ins Leben zu rufen. Eigentlich war dieser als politische Vertretung im Gemeinderat gedacht.“

Das Gründungsdatum ist der 4. Februar 1974, anfangs hatten sich elf Personen zusammengefunden, darunter war auch Günter Braun. Damals formulierten sie den Vorsatz, „...das gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben der Gemeinde auf der Basis des Grundgesetzes harmonisch zu fördern und zu formen“.

In der Tat avancierte der Verein zu einer eigenen Fraktion. Auch Braun engagierte sich politisch. Eines der spannendsten Themen seinerzeit war beispielsweise, ob der Hamburger Flughafen in den Raum Kaltenkirchen verlagert werden würde. Auch deswegen, so Günter Braun, seien Menschen in die Region gezogen – sie hatten darauf spekuliert, dass zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen würden. Auf den Flughafen wartet man heute noch. Er wird niemals kommen, das steht längst fest.

Der Bürgerverein hingegen ist eine Erfolgsgeschichte. Nach Ansicht von Braun begann diese aber erst nach einer Richtungsänderung. „Wir hatten einen Vorstandswechsel, gaben die politischen Ambitionen auf und wollten nur noch kulturell tätig sein. Im Nachhinein war das die richtige Entscheidung.“

Schon acht Monate nach seiner Gründung veranstaltete der Verein erstmalig seinen Flohmarkt, der seitdem stets im September vor dem Gemeindehaus stattfindet. Fast alle Stände gehören Oersdorfern, die Organisation übernimmt der Bürgerverein, unterstützt von der freiwilligen Feuerwehr. „Es besuchen immer mindestens 200 Menschen den Flohmarkt, viele kommen aus umliegenden Gemeinden und aus Kaltenkirchen. Die Einnahmen gehen an den Bürgerverein, davon können wir unsere Tätigkeiten bestreiten. Den Rest spenden wir an gemeinnützige Einrichtungen“, sagt Günter Braun. „Jeder bekommt so das Gefühl, etwas bewirken zu können.“ Auch er selbst ist weiterhin im Einsatz. „Ich bin der Leierkastenmann. Das bringt so viel Spaß, immer in diese staunenden Kinderaugen zu schauen.“

Abgesehen des Flohmarktes veranstaltet der Verein Konzertabende in der Gemeinde, er lädt zum Grünkohl- und Matjesessen, zum Skatkloppen. Beliebt sind traditionell die Radtouren oder die Theaterfahrten nach Hamburg und Kiel. Zusätzlich wurde schon in den 80er-Jahren eine kleine, drei bis vier Mal jährlich erscheinende Dorfzeitung („Dörpjournal“) ins Leben gerufen. Der Chor „Dörpsingers“ unter der Leitung von Inse Krüger besteht seit nunmehr 20 Jahren; auch er geht auf eine Idee des Bürgervereins zurück.

Für Menschen in größeren Städten sind all dies keine Besonderheiten, in Oersdorf wie auch in vielen ähnlich kleinen Dörfern im Kreis prägen solche Veranstaltungen und Projekte dafür das Gemeindeleben. „Der Verein ist ein großer Gewinn für Oersdorf, das dadurch zusammengewachsen ist“, sagt Braun.

Zu seinem 40. Geburtstag an diesem Dienstag zählt der Bürgerverein 270 Mitglieder – Oersdorf selbst nach letzter Erhebung 862 Einwohner. Ungefähr jedes zweite Vereinsmitglied ist ehrenamtlich aktiv, was ebenso eine gute Quote ist. „Alle unter einem Hut“, dieses Motto haben sich die rührigen Bürger selbst gegeben. „Die aktiven Mitglieder kommen aus allen Bildungsschichten. Das sagt etwas aus über den Charakter des Dorfes“, so Günter Braun. „Ich hätte damals 1974 nicht für möglich gehalten, dass wir so etwas anstoßen könnten.“

www.buergerverein-oersdorf.de