Es gibt noch Nachwuchs in den Parteien: Jung-Politiker sprechen über ihre Motivation fürs politische Engagement

Immer größer werden die Nachwuchs-Probleme der politischen Parteien im Kreis Segeberg. Und damit die Sorge um eine zunehmende Vergreisung der Kommunalparlamente. Mit seiner Initiative „Partei ergreifen!“ versucht das Hamburger Abendblatt Menschen für das Engagement in einer Partei zu begeistern. Am Dienstag berichteten wir über die aktuelle Mitgliedersituation der Parteien im Kreis Segeberg. Heute lassen wir junge Nachwuchs-Politiker zu Wort kommen, die beschreiben, warum sie sich für ein Ehrenamt in einer Partei entschieden haben.

Dinge im Alltag verändern

Marc Muckelberg, 25, Stadtvertreter Bündnis 90/Die Grünen und Vorstand im Ortsverein Norderstedt der Partei: Seine Mutter Rita Muckelberg lebte ihm Engagement in der kommunalen Politik vor. „Ich war vielleicht zwölf, und meine Mutter arbeitete sich immer durch die dicken Haufen Papier, die Unterlagen für die Ausschussarbeit“, sagt Marc Muckelberg. „Ich fand das irgendwie spannend.“ Die Mutter war Mitglied der Bürgerpartei in Norderstedt, die zwischen 1994 und bis zu ihrer Auflösung 2006 eine kommunalpolitische Alternative zu den etablierten Parteien war. „Welche politische Ausrichtung für mich die passende war, das kauten meine Eltern mir aber nicht vor. Als ich alt genug war, sagten sie: Geh wählen. Und als ich fragte, wen ich wählen soll, antworteten sie: Informier’ dich!“

Ende 2012 stieg Marc Muckelberg bei den Grünen ein. „Du kannst nicht immer nur meckern, du musst schon mitmachen, wenn du etwas verändern willst.“ Für ihn sollte es nicht die außerparlamentarische Opposition sein, sondern eine etablierte Partei und ein Kommunalparlament. „Bei den Grünen duzen wir uns alle, das macht es schon mal leichter im Umgang. Außerdem haben wir privat häufig Kontakt. Und in der Kommunalpolitik arbeite ich ganz eng mit dem Bürger zusammen und kann viele Dinge verändern, die mit unserem Alltag zu tun haben.“

Muckelberg macht auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur, danach wird er Physik studieren. Politisches Engagement ohne Berufserfahrung, das „Berufspolitikertum“, lehnt er ab. Oft trifft Muckelberg Menschen, die grün denken, für die ein Parteieintritt aber nicht infrage komme. „Weil sie die Politik in Berlin und Kiel doof finden. Ich sage dann: Setze auf kommunaler Ebene an, hier kannst du was verändern. Ich habe mich über den Zustand der Radwege in Norderstedt aufgeregt und bin darüber zur Partei gestoßen.“

Ernst genommen werden

Leo Schäfer, 24, Gemeindevertreter der CDU Henstedt-Ulzburg: Leo Schäfer hat das Rathaus fest im Blick. Und das jeden Tag, wenn er sich an seinen Schreibtisch setzt. Als freiberuflicher Versicherungskaufmann hat er sein Büro an der Hamburger Straße, direkt gegenüber vom Henstedt-Ulzburger Rathaus.

Der Entschluss, sich politisch zu engagieren, hatte jedoch nichts mit dem Rathaus-Blick zu tun. Der Anstoß kam schon viel früher: Leo Schäfer ist einem politischen Umfeld groß geworden. Im Elternhaus war die Kommunal- und Kreispolitik ein beherrschendes Thema. Vater Carsten war einst Kreistagsabgeordneter der Grünen, später Gemeindevertreter in Henstedt-Ulzburg der WHU und BfB, noch später Bürgervorsteher. Zwei nahe Verwandte sind CDU-Kommunalpolitiker in anderen Orten. „Ich wusste über kommunalpolitische Dinge sicher besser Bescheid als viele meiner Freunde“, sagt Schäfer. „Weil Politik bei uns zu Hause natürlich immer ein Gesprächsthema war.“

Sicher hätte sich Papa Carsten insgeheim gewünscht, dass sein Sohn einer anderen Partei beitreten würde, aber letztlich war nicht er entscheidend, sondern ein Freund: Der nahm ihn mit zu einer Versammlung der Jungen Union. Das war 2009. Ein Jahr später war Leo Schäfer schon stellvertretender Kreisvorsitzender der Jungen Union. Einen so engagierten jungen Mann konnte man in der örtlichen CDU gut gebrauchen: Als der Ortsvorsitzende ihn fragte, ob er für den Gemeinderat kandidieren wolle, sagte der aufstrebende Politiker zu. Er gewann seinen Wahlkreis direkt und ist heute ein Hoffnungsträger seiner Partei. „Ich fühle mich ernst genommen“, sagt Leo Schäfer, der zusammen mit seiner Freundin in einer kleinen Wohnung lebt. „Und die anderen freuen sich, dass auch mal andere Sichtweisen in die Diskussion kommen.“ Er möchte Henstedt-Ulzburg für junge Leute attraktiver machen. Dazu gehört günstiger Wohnraum. „Viele junge Leute ziehen weg, weil das Wohnen hier zu teuer ist“, sagt Leo Schäfer.

Einbringen und gestalten

Malte Götsch, 24, Gemeindevertreter der WGO in Oering: Malte Göttsch entschloss sich im Frühjahr 2013, die Zukunft seiner Heimatgemeinde mit ihren 1300 Einwohnern mitgestalten zu wollen. Als die Wählergemeinschaft Oering (WGO) gegründet wurde, saß Göttsch noch im Zuschauerpodium. „Ich wollte mir das erst einmal anschauen“, sagt er. Traditionell hatte die CDU in der Oeringer Gemeindevertretung die führende Rolle. Doch die Kommunalwahl im Mai 2013 krempelte das örtliche politische Geschehen um. Mit 55,3 Prozent errang die WGO alle Direktmandate. Göttsch, der sich auf Listenplatz vier hatte aufstellen lassen, rückte in die Gemeindevertretung. Zudem übernahm er die Leitung des Ausschusses für Kultur, Soziales, Schule und Sport; darüber hinaus sitzt er im Umweltausschuss.

Für die Politik qualifiziert ihn sein Job und seine Leidenschaft. Zum einen ist Malte Götsch Angestellter der Segeberger Kreisverwaltung im Fachdienst 38, der zuständig ist für Feuerwehren, Zivil- und Katastrophenschutz sowie Rettungsdienste. Zum anderen ist der 24-Jährige einer der besten Fußball-Schiedsrichter in Schleswig-Holstein.

„Den einen oder anderen Ablauf der Kommunalpolitik kenne ich bereits aus meiner Ausbildung. Aber ich bin weiterhin oft auf dem Amt, um mich zu informieren“, sagt Göttsch, der sich als heimatverbunden beschreibt. Und als Schiedsrichter in der höchsten Landesklasse, bei den A-Junioren in der Bundesliga und als Assistent in der Regionalliga Nord an der Linie lerne er ebenfalls fürs politische Leben. „Auf dem Fußballplatz arbeitet man mit unterschiedlichsten Charakteren zusammen. Das hilft mir in der Politik weiter.“

Die Kommunalpolitik macht Malte Göttsch Spaß: „Gerade auf lokaler Ebene kann man sich einbringen und gestalten.“ Nirgendwo wird Politik so konkret. Sei es bei den Haushaltsplanungen oder handfesten Themen wie dem Kauf eines Bücherschranks oder der Klärteichentschlammung.

Lustgewinn steigt

Helmer Krane, 23, FDP-Ortsvorsitzender in Bad Bramstedt: Er habe immer Glück gehabt und das Gefühl, der Gesellschaft etwas zu schulden. „Schon mit 15 wusste ich, dass ich in eine Partei eintreten werde“, sagt Helmer Krane. Sozial- und christdemokratisch, vor allem aber christlich ging es bei den Großeltern zu, bei denen er aufgewachsen ist. Mit 18 schloss sich Krane der FDP an. Warum die Liberalen? „Humanismus und Liberalismus haben mich geprägt, Werte wie Toleranz und persönliche Freiheit“, sagt der Kommunalpolitiker, der eher das ruhige Wort schätzt.

Aber die Diskussion liebt. Um die Sache streiten, sich eine Meinung bilden, andere überzeugen – das ist es, was den Jura-Studenten an der Politik reizt. Und wer sich engagiert und gute Argumente hat, kommt in einem Ortsverein mit einem Dutzend Aktiver schnell nach oben. Nun führt der junge Politiker die Roland-Liberalen und versucht, in der Bramstedter Kommunalpolitik verkrustete Strukturen aufzubrechen. „Wenn ich auf Nachfragen im Ausschuss schon höre, dass haben wir schon immer so gemacht, dann sträuben sich mir die Nackenhaare“, sagt der Ortschef. Neue Ideen will er einbringen und hat dafür vier Jüngere an seiner Seite. „Seitdem die dabei sind, ist der Lustgewinnn enorm gestiegen“, sagt Krane, der gelernt hat, Gegenwehr nicht persönlich zu nehmen.

Und wie fühlt er sich in einer Partei, die auf Bundesebene nichts mehr zu sagen hat? „Es ist schon ein seltsames Gefühl, ein normales Mitglied der Gesellschaft zu seien, aber keine Stimme mehr im Bundestag zu haben“, sagt der Nachwuchspolitiker, der mit dem neuen Bundesvorstand zufrieden ist.