Die Henstedt-Ulzburgerin Martina Thiemann kümmert sich seit zehn Jahren um die Ärmsten der Armen in Südafrika

Henstedt-Ulzburg. Kurz vor Weihnachten erhielt Martina Thiemann einen Brief, der für sie eine Bestätigung war, dass sie aus ihrem Leben etwas wirklich Vernünftiges gemacht hat: „Ohne dich und den Verein wären wir verloren“, schrieb ein 17-jähriger Junge, dessen Leben durch die Kindermissionarin aus Henstedt-Ulzburg wieder eine Perspektive bekommen hat. Der junge Mann will Schlosser in Südafrika werden. Ohne die Unterstützung von Martina Thiemann hätte er in den Slums seiner Heimatstadt Pietermaritzburg ein tristes Leben geführt, geprägt von Kriminalität und Gewalt. Er wäre vielleicht nie zur Schule gegangen, hätte nie das Lesen und Schreiben gelernt.

Was im Leben so alles passieren kann! Bei Martina Thiemann war es eine unglückliche Liebe und deren Ende kurz vor der angesetzten Verlobung, die sie über den Sinn des Lebens nachdenken ließ. Vor 32 Jahren traf sie die Erkenntnis: So jedenfalls kann es im Leben nicht weitergehen. Der damalige Liebeskummer gab ihrem Leben eine dramatische Wendung, von der heute viele Kinder profitieren, die zu den Ärmsten der Armen gehören: Seit zehn Jahren ist Martina Thiemann als Kindermissionarin in Südafrika im Einsatz. Ausgesandt unter anderen von den Kirchengemeinden Rhen und Henstedt, unterstützt vom eigens für ihre Arbeit gegründeten Verein „Bambelela ku Jesu – Hilfe für Kinder“, der auch dafür sorgt, dass sie finanziell ausgestattet ist. Sie ist Angestellte des Vereins, der jeden Monat 6000 Euro aufbringen muss, um die Missionsarbeit in Südafrika am Leben zu erhalten.

Einmal im Jahr kommt Martina Thiemann nach Deutschland, um hier über ihre Arbeit mit den ärmsten Kindern in Südafrika zu berichten. In der Rhener St.-Petrus-Kirche berichtet sie zum Beispiel über ihr Leben, über die Hilfseinsätze und über die Fortschritte in den Townships von Kapstadt, in denen die Henstedt-Ulzburgerin seit zwei Jahren für die Kinder im Einsatz ist.

Die Missionarin, die schon in Finnland, Spanien, Brasilien und New York gearbeitet hat, bevor sie „dem Ruf Gottes“ gefolgt ist, um in Südafrika ein neues Leben zu beginnen. Ein Leben, mit dem sie vielen Kindern hilft, die in den Townships auch nach dem offiziellen Ende der Apartheid noch unter den Folgen der Rassentrennung leiden; deren Chancen, einmal ein vernünftiges Leben führen zu können, sehr gering sind. Mit Unterstützung von Martina Thiemann und ihrem kleinen Team können sie dem Alltag für ein paar Stunden entfliehen – und bekommen möglicherweise sogar eine Perspektive für ein Leben, das sie eines Tages aus den ärmlichen Verhältnissen herausführt. Leicht wird es nicht sein. „Die Rassentrennung ist in den Köpfen immer noch da“, sagt die Missionarin, die sich auch von drohender Gewalt nicht abhalten lässt, den Kindern in den Armenvierteln von Kapstadt zu helfen. Zweimal schon entging sie Anschlägen.

Viele schwarze Kinder wachsen in Südafrika unter schwierigen Verhältnissen auf. Sie leben in ärmlichsten Verhältnissen und sind den ganzen Tag auf sich alleine gestellt: Oft sind die Eltern den ganzen Tag weg, manchmal leben sie ohne Eltern, die an Aids gestorben sind. In Pietermaritzburg hat Martina Thiemann es geschafft, einen Kindergarten für kranke Kinder zu gründen, in den auch kranke Eltern ihre Kinder in Obhut geben können. 10.000 Euro Spendengeld sind dafür zusammengekommen. In dem Hort werden zurzeit 18 Kinder betreut und vorschulisch unterrichtet. Zuneigung und Vertrauen geben den Kindern eine Art von Sicherheit, die sie vorher nie erfahren haben.

Als sich Martina Thiemann 2011 dafür entschied, nach Kapstadt zu ziehen, um dort ihre missionarische Tätigkeit fortzusetzen, hinterließ sie in Pietermaritzburg ein festes Netz an Hilfsangeboten für Kinder in den Townships. In der zweitgrößten Stadt Südafrikas erlebt sie weit weniger Weltoffenheit als im kleineren Pietermaritzburg. „Es geht dort rassistischer und fremdenfeindlicher zu“, sagt die 50 Jahre alte Missionarin, die auf unkonventionelle Weise Kontakt zu den Bewohnern der Townships aufgenommen hat: Mit dem Auto fuhr sie in die Gassen zwischen den Wellblechhütten – als Weiße eine große Mutprobe. „Das macht sonst niemand“, wurde ihr gesagt.

Inzwischen besucht sie die Kinder in zwei von Bandenkriegen geprägten Townships, spielt mit ihnen, betet mit ihnen, gibt ihnen zu essen, veranstaltet Gottesdienste in englischer Sprache. Kleine und große Erfolgserlebnisse sind für die Missionarin Bestätigungen, dass sie auf dem richtigen Weg ist. „Manche Kinder sind aus den Gangs ausgetreten und haben ihr Leben Gott gegeben.“ In einem Land, in dem die christliche Religion keine große Rolle spielt, in dem Ahnen- und Geisterverehrung prägend sind, ist das mehr als erstaunlich. Es ist ein kleines Wunder.