Widersprüche bei Zeugenaussagen sorgen dafür, dass das Verfahren gegen 22 Jahre alten Angeklagten eingestellt wird

Norderstedt. Hosein R., 22, aus Hamburg sitzt nach seiner Meinung völlig zu Unrecht auf der Anklagebank des Schöffengerichts in Norderstedt. Es ist ein schwerwiegender Vorwurf, der gegen ihn im Raum steht: Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft, die im Wesentlichen auf den Angaben des Opfers beruht, soll der gebürtige Afghane im März des vergangenen Jahres nachts gegen 1 Uhr in der Gegend des Busbahnhofs Berliner Allee in Norderstedt den 22-jährigen Martin L. aus Norderstedt ausgeraubt haben. Der Angeklagte habe sich seinem Opfer von hinten genähert und Geld verlangt, sonst gäbe es auf die Fresse, heißt es in der Anklage.

In der besagten Nacht sei er vermutlich zum Feiern auf dem Kiez gewesen

Da das Opfer nur 12 Euro bei sich hatte, soll der Angeklagte ihm das Portemonnaie mit EC-Karte, Ausweis und Versichertenkarte entrissen haben. Weiter wird dem Angeklagten eine Nötigung vorgeworfen, denn er soll am Tag nach der Tat seinem Opfer Martin L. gedroht haben, er werde ihn töten, wenn er seine Anzeige bei der Polizei nicht zurückziehe. Er kenne Martin L. nur vom Sehen und könne sich nicht erklären, wie dieser zu einer solchen Beschuldigung komme, erklärt der Angeklagte. In der besagten Nacht sei er nicht in Norderstedt gewesen, sondern vermutlich zum Feiern auf dem Kiez – wie fast jedes Wochenende, ergänzt er.

Geradezu lächerlich sei es doch, wegen 12 Euro eine solche Tat zu begehen, meint Hosein R. Das vermeintliche Opfer der Raubtat, Martin L., kann sich erstaunlicherweise an viele Details, die er nach der angeblichen Tat bei der Polizei zu Protokoll gab, nun nicht mehr erinnern. Nach seiner jetzt im Gerichtssaal zum Besten gegebenen Darstellung des Geschehens bat ihn der Angeklagte an einem Dönerstand um Geld. An eine Drohung kann sich L. nicht erinnern, aber der Angeklagte habe ihn verfolgt und die Situation sei etwas unheimlich gewesen, sodass er der Bitte nachkommen wollte. Der Angeklagte habe das Portemonnaie nicht entrissen, sondern nur an sich genommen, so L.

Bei einem Treffen zwei Wochen später habe der Angeklagte ihm geraten, nichts zu sagen, sonst sei er dran. Tatsächlich, wie von der Polizei festgehalten, war dieses Treffen am Tag nach der angeblichen Raubtat, denn direkt danach hatte sich L. an die Polizei gewandt, die bei dem Angeklagten eine Hausdurchsuchung vornahm – ohne Ergebnis. Ein weiterer Zeuge, Pascal B., 15, soll die Drohung des Angeklagten gehört haben, rudert nun aber ebenfalls zurück. Er sei zwar bei dem Treffen anwesend gewesen, habe sich aber bei dem Gespräch der Männer entfernt, erklärt der Zeuge.

Durch die Widersprüche fällt der Anklagevorwurf in sich zusammen

Durch die Widersprüche in den Zeugenaussagen und die Gedächtnislücken fällt der Anklagevorwurf in sich zusammen. Drohungen mit Gefahr für Leib oder Leben und damit eine begangene Raubtat hält Richterin Wiebke Dittmers nicht für erwiesen. Außerdem gibt es die Aussage eines nicht geladenen Zeugen, nach der der Angeklagte das Portemonnaie hinter dem flüchtenden MartinL. herwarf, also gar nicht behalten wollte. Ein Diebstahl wäre dann auch ausgeschlossen.

Die logische Folge in Form des Urteils lautet: Freispruch auf Kosten der Staatskasse.