Der Türkisch-Deutsche Freundschafts- und Kulturverein kümmert sich seit mehr als 20 Jahren um ein besseres Miteinander der Menschen in der Stadt Norderstedt und Umgebung

Stereotype gibt es viele, erst recht, wenn es um die Türkei geht. Menschen mit dunklen Haaren, Schnurrbart, Kopftuch und konservative, zumeist ungebildete Muslime kommen immer noch vielen in den Sinn. Dazu gesellen sich noch Döner, verarmte Landstriche, Moscheen und ungewohnte Musik. Wie falsch diese in den Köpfen von etlichen Deutschen herumgeisternden Bilder von der Türkei und den von dort stammenden Menschen sind, das will der Türkisch-Deutsche Freundschaftsverein in Norderstedt zeigen. Seit 1991 engagieren sich seine Mitglieder für ein besseres Miteinander von Türken und Deutschen in Norderstedt und Umgebung. Und das mit Erfolg.

Sieben Norderstedter, die ihre Wurzeln in der Türkei haben, gründeten vor mehr als 20 Jahren den Verein, weil ihrer Meinung nach die Menschen zu sehr nebeneinander wohnten, statt miteinander. In der Türkei, so die Vereinsmitglieder, sei dies anders. Der Kontakt zwischen den Menschen sei ein wichtiges Element der türkischen Kultur, das Leben spiele sich nicht so stark in den eigenen vier Wänden ab. Die sprichwörtliche türkische Gastfreundschaft sei legendär. Ein krasser Gegensatz dazu sei die norddeutsche Reserviertheit. Doch warum sollte nicht beides zusammenwachsen? Getreu diesem Motto engagierten sich die türkischen Bürger, um eine neue Kultur des Miteinanders zu schaffen. Und ihre Idee wurde zum Renner.

Wenn einmal im Jahr gefeiert wird, ist der Andrang stets sehr groß

147 Mitglieder zählt der Verein inzwischen, viele von ihnen sind Türken oder haben türkische Eltern, nicht wenige sind aber aus Deutschland oder anderen Ländern der Welt, die die Idee des Vereins gut finden und daher aktiv unterstützen. „Wir wollen gute nachbarschaftliche Beziehungen pflegen und entwickeln. Wir wollen dabei nicht nur ältere, sondern auch jüngere Mitbürger ,abgreifen’ und für unsere Arbeit begeistern“, sagt Musa Kizilkus, Vorsitzender des Vereins. Daher gehe der Verein häufig an die Öffentlichkeit und veranstaltet, oftmals mit Unterstützung der Stadt Norderstedt, eine Vielzahl von Angeboten – von der Kulturveranstaltungen über den Sportkurs bis hin zum Beratungstermin. So gibt es unter anderem Lese- und Schreibkurse, Chorgruppen, Schwimmen für Frauen, Mal-Kurse, Folklore-Gruppen und einen Kursus zum Musizieren mit dem türkischen Saiteninstrument Saz. Besonders wichtig seien auch die Informationsangebote des Vereins, wie etwa Berufsberatungen für Jugendliche oder Beratungen zum Rentenwesen.

Einmal im Jahr, so Pressesprecherin Zeliha Eryüksel, werde ein großes Fest mit Musik und Tanz und lockerem kulturellen Austausch veranstaltet, der Andrang sei dann so groß, dass die Räumlichkeiten des Vereins schon fast zu klein sind. Das freut den Verein. „Wir schätzen aber auch den Respekt und die Unterstützung, die uns für unsere Arbeit von der Stadt entgegengebracht wird“, sagt die Pressesprecherin. So würde der Oberbürgermeister sogar Sitzungen verlassen, um extra bei den Festveranstaltungen des Türkisch-Deutschen Kulturvereins dabei sein zu können.

Beim Musizieren ist es egal, ob jemand Akademiker oder Handwerker ist

Was Eryüksel besonders freut, ist, dass im Laufe der Jahre so viele verschiedene Nationalitäten im Verein ein Zuhause gefunden haben und den kulturellen Austausch leben. „Man ist da einfach nur Mensch, nicht Jude, Christ oder Moslem. Und das ist toll“, sagt sie. Und wer aus welchen Gesellschaftsschichten komme, sei auch völlig einerlei. Wenn etwa gemeinsam musiziert wird, dann sei es ganz egal, ob jemand Akademiker oder Handwerker sei, ob Banker oder Sozialarbeiter, denn die Musik verbinde die Menschen.

Das Kinderfest, das immer um den 21. April herum gefeiert werde, sei ebenfalls ein Schmelztiegel, insbesondere für Kinder. Rund 500 Kinder aus ganz Norderstedt und Umgebung kommen dann vorbei, um einen unbeschwerten und spielerischen Tag zu verbringen. Wer aus welchem Land kommt, das interessiere dabei niemanden. Und so manche Vorurteile würden, so Vorstandsmitglied Ismail Eser, bei diesen Treffen spielend über Bord geworfen. Und das sei wichtig, denn Vorurteile entstünden oft bereits im Kindesalter. Wenn Kinder aber kulturelle Vielfalt von klein auf kennenlernten, würden diese Vorurteile wenig Chancen haben, sich in den Köpfen festzusetzen. Die Folge: Mehr gegenseitiges Verständnis und mehr Toleranz.

Vereinschef Kizilkus ist überzeugt, dass eine kulturelle Integration aller Menschen möglich sei. Doch für ein solches Gelingen werde zuweilen zu wenig getan. Oft heiße es lapidar, die da drüben, das seien einfach „die Ausländer“, anstatt in diesen Menschen Mitbürger zu sehen. Es sei schon ein Erfolg, wenn in Türken nicht nur Döner essende Menschen gesehen würden. „In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren aber zugegebenermaßen vieles sehr stark verbessert, die Menschen sind offener geworden“, sagt er.

Der Verein ist von der Stadt als offizieller Kulturträger anerkannt

Selbiges verlangt er aber auch von seinen Landsleuten, viele von ihnen seien noch zu verschlossen, ob aus Angst oder weil sie selbst zu konservativ in ihrer Weltansicht seien. Eine Integration könne nur funktionieren, wenn auch Türken auf Deutsche zugehen würden und bestimmte Dinge akzeptieren und als Teil ihres Lebens in Deutschland anerkennen. „Integration bedeutet, Kompromisse eingehen. Die Bereitschaft aller Menschen für solche Kompromisse wollen wir fördern“, sagt Eryüksel.

Dieses Engagement wird dem Verein hoch angerechnet. Von der Stadt Norderstedt wird er als anerkannter Kulturträger geführt, in einigen Ausschüssen ist der Verein beratend tätig. Das freut den Verein, aber er würde gerne noch mehr machen. „Am liebsten hätten wir ein Mitspracherecht in den Fachausschüssen", sagt Eryüksel. Denn es sei schon zuweilen merkwürdig, wenn während der Ausschusssitzungen über bestimmte Menschen gesprochen werde, diese dann aber kein Mitspracherecht hinsichtlich der Entscheidungen hätten, die sie betreffen. Vielleicht lasse sich dies einmal ändern, hofft Eryüksel, denn nur beratendes Mitglied zu sein, das sei für den Verein, der immerhin eine Brückenrolle als Vermittler zwischen den Kulturen einnehme, manchmal zu wenig.

Und was wäre noch hilfreich, um das Leben von Menschen ausländischer Herkunft in Norderstedt zu erleichtern? Eyüksel fällt da sofort die Stadtbibliothek ein. Die sei zwar gut bestückt, aber Bücher in fremden Sprachen gebe es dort noch zu wenige, findet sie. Immerhin 5800 Bürger, die aus der Türkei kommen, wohnen in der knapp 72.000 Einwohner zählenden Stadt. Für sie wäre es ein Gewinn, wenn es türkische Literatur auch auf Türkisch zu lesen gebe. Denn es sei, wie Ismail Eser sagt, ein riesengroßer Unterschied, ob man einen Literaten wie etwa Orhan Pamuk in einer deutschen Übersetzung lese oder aber im Original. Das Original sei, so findet er, immer besser als jede noch so gute Übersetzung. Irgendwann, so hoffen er und Eryksel, werde es vielleicht normal sein, Türkisches neben Deutschem im Buchregal zu finden. Bis dahin sei es aber noch ein langer Weg und das bedeute für den Verein, dass er seine Integrations- und Aufklärungsarbeit fortsetzen wird. Und das mit Spaß.

Alle Folgen der Serie im Internet.

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