Die erste Verkehrszählung seit 18 Jahren ergab, dass weitaus weniger Autos im Dorf unterwegs sind als angenommen

Tangstedt. Mit dem Lärm ist es ähnlich wie mit der Temperatur: Die gefühlten Werte liegen immer deutlich über den gemessenen. Was die Belastung der Gemeinde Tangstedt durch den Verkehr angeht, so müssen die Bewohner nun lernen, dass es den bloßen Werten nach in ihrem Dorf viel ruhiger ist als gedacht. Für die seit Jahrzehnten über Lärm klagenden Anwohner der Landesstraße 98, auf der sich mitten in Tangstedt und Wilstedt täglich Tausende von Autos und vor allem schwere Lastwagen aneinanderreihen, muss das wie Hohn klingen.

Doch die Ergebnisse der ersten umfangreichen Verkehrszählungen an den Hauptverkehrsstraßen in der Gemeinde seit 18 Jahren liegen nun vor. Und die machen deutlich, dass die bisher angenommenen Verkehrsbelastungen wohl immer zu hoch gegriffen waren. „Es standen ja Zahlen im Raum von bis zu 12.000 Autos pro Tag auf der Landesstraße 98. Aber das waren immer Hochrechnungen auf der Basis von Zahlen aus dem Jahr 1996. Die tatsächlichen Zahlen sind deutlich niedriger“, sagt Holger Criwitz (SPD), Bürgermeister von Tangstedt.

Nicht 12.000, sondern höchstens 8400 Fahrzeuge wurden am Tag gezählt

Gezählt wurden die Autos und Lastwagen von der Firma Lairm Consult aus Hammoor. An acht Stellen in der Gemeinde wurden Zählstellen errichtet, darunter am Ortseingang von Wilstedt auf der Harksheider Straße und am Dorfring, direkt vor dem Rathaus auf der Hauptstraße, am Kringelweg oder auf der Tangstedter Straße zwischen Tangstedt und Wilstedt. Und dort lagen die Belastungen in den Spitzen immer zwischen 5000 bis 7500 Autos am Tag, selten bei bis zu 8400 Fahrzeugen.

„Die Zählstellen haben nicht nur die bloße Anzahl der Kraftfahrzeuge gemessen, sondern auch um welche Art von Kraftfahrzeug es sich handelt“, sagt Criwitz. Als Beispiel nennt der Bürgermeister etwa den Dienstag, 17. September. Exakt 352 Zweiräder passierten an diesem Tag das Rathaus auf der Hauptstraße, dazu 6960 Autos, 531 Lastwagen bis 2,8 Tonnen Gesamtgewicht und 281 Lastzüge mit 3,5 Tonnen Gewicht und mehr. „Was die kleineren Lastwagen angeht, so machen diese etwa 17 Prozent des Verkehrsaufkommens aus. Die ganz schweren Lastzüge, die wirklich starken Lärm verursachen, machen nur etwa acht Prozent aus“, sagt Criwitz. Eine Verkehrsbelastung, die sich aus seiner Sicht als normal einschätzen lässt.

Für Holger Criwitz ergibt sich aus diesen Zahlen zunächst eine klare Folge: „Der Bau einer immer wieder geforderten Querspange von der B 432 durch den Tangstedter Forst nach Norden wird es kaum mehr geben. Das ist völlig unrealistisch bei diesen Zahlen.“ Für dieses ehemalige Lieblingsprojekt etlicher Gemeindevertreter in der Tangstedter CDU müssten die Zahlen mehr als doppelt so hoch liegen. Über die Unwahrscheinlichkeit der Verkehrsspange herrscht mittlerweile Einigkeit in der Tangstedter Politik.

In Norderstedt werden das die Kollegen in der Stadtvertretung interessiert zur Kenntnis nehmen. Denn hier war das Thema noch nicht tot. Gerade hatte der FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder gefordert, die Stadt sollte nicht die Poppenbütteler Straße verlegen, sondern lieber mit den Tangstedtern über den Bau der Querspange diskutieren.

Keine „relevante Lärmbelastung“, aber die Brummis nerven trotzdem

Was den Verkehrslärm in Tangstedt angeht, so ergibt sich nun insgesamt ein schiefes Bild. Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) wertete die Belastung Tangstedts durch Hauptverkehrsstraßen in Bezug auf die Anwohner aus und kam zu dem Ergebnis, dass in Tangstedt insgesamt nur 40 Bürger signifikant vom Straßenlärm betroffen sind, 30 davon in einem Bereich über dem gesundheitlich bedenklichen Grenzwert von 55 Dezibel, lediglich zehn Bürger im Bereich bis über 65 Dezibel. Tangstedt sei damit eine Gemeinde „ohne relevante Lärmbelastung“.

Holger Criwitz: „Das hatten wir so erwartet. Schließlich liegt die meiste Wohnbebauung von den vom LLUR ausgewerteten Hauptverkehrsstraßen weit entfernt.“ Doch dass nun auch die umfassenden Verkehrszählungen im Gemeindegebiet so deutlich hinter den bislang angenommenen Werten liegen, überrascht die Kommunalpolitik im Dorf und liefert nicht gerade neue Argumente für die Forderung nach verkehrsberuhigenden Maßnahmen.

Criwitz will die Augen jetzt nicht verschließen vor der Belastung durch den Schwerlastverkehr in der Gemeinde. Die Brummis nutzen die Landesstraße 98 als Abkürzung in Richtung Norden zur Anschlussstelle der Autobahn 7 in Quickborn oder auch, um in die Norderstedter Gewerbegebiete an der Oststraße zu gelangen. „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass die Autobahn 20 da einiges an Entlastung bringen wird“, sagt Criwitz.

Viele im Dorf wünschen sich möglichst viele Schikanen auf den Straßen, um die Lastwagenfahrer zu vergraulen. Wie sich das auswirkt, lässt sich beobachten, wenn auf der Hauptstraße in Tangstedt vor der Sparkasse Autos am Straßenrand geparkt sind. Da entsteht immer schnell ein gewaltiger Rückstau. Manche Tangstedter Bürger sagen, man sollte da ganz bewusst und systematisch parken, bis es die Lastwagenfahrer Leid sind, hier warten zu müssen. Dazu müsste ein großes Schild zur Begrüßung der Lastwagen am Ortseingang aufgestellt werden: „Wenn Ihr hier durchfahrt, habt Ihr nur Ärger!“

Die Ergebnisse der Verkehrszählung und die Vorstellung des Entwurfs für einen Lärmaktionsplan sollen am Dienstag, 14. Januar, von 19.30 Uhr an bei einer gemeinsamen Sitzung des Bau- und Planungsausschusses der Gemeinde im Rathaus präsentiert werden. Dabei können auch die Bürger ihre Ideen und Vorstellungen einbringen, wie der Verkehrslärm in der Gemeinde weiter reduziert werden kann.