Die Norderstedter Freikirchen laden für den 12. Januar zu einem gemeinsamen Gottesdienst ein

Norderstedt . „Uns verbindet mehr als uns trennt“, sagt Pastor Veit Praetorius, und seine Kollegen Dirk Evert und Michael Britsch stimmen zu. Die Pastoren arbeiten für die drei Freikirchen in Norderstedt, die am Sonntag, 12. Januar, einen gemeinsamen Gottesdienst feiern – den Freikirchengottesdienst. Praetorius ist Pastor der Kreuzkirche Wiesenstraße, die sich zu den Baptisten zählt. Dirk Evert arbeitet für die Christliche Gemeinde Norderstedt an der Falkenbergstraße und Michael Britsch für die Freie Evangelische Gemeinde (FEG) am Falkenkamp. Dort findet am 12. Januar ab 10 Uhr auch der gemeinsame Gottesdienst statt, dessen Vorbereitung für die Gemeinden aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten keine großen Probleme bereitete, wie die drei betonen.

Das Abendblatt hat bei den Pastoren nachgefragt, was eigentlich eine Freikirche ausmacht und was sie von den Volkskirchen, also der evangelisch-lutherischen Landeskirche und den Katholiken trennt? „Die Grenze zu den Gemeinden der Landeskirche ist nicht so scharf“, sagt Baptisten-Pastor Praetorius. „Es gibt dort Gemeinden, die fast wie eine Freikirche funktionieren.“ Zudem feiere man einmal im Jahr mit den fünf evangelischen Gemeinden Norderstedts und auch den Katholiken den Gottesdienst zum Stadtfest. „Das könnte gerne auch ein bisschen mehr sein“, sagt Dirk Evert. Denn außerhalb dieses gemeinsamen Gottesdienstes jeweils im August bleiben die Christen der Stadt meist innerhalb der eigenen Gemeinde oder zumindest der eigenen Konfession, hat er beobachtet.

Kirchensteuer erheben die Freikirchen nicht – aber jeder leistet seinen Beitrag

„Freikirche heißt Freiwilligenkirche“, fasst Michael Britsch zusammen. Er zählt zu seiner Gemeinde etwa 200 Mitglieder, die sich zu großen Teilen auch ehrenamtlich engagieren. Das gilt auch für die etwa 170 Mitglieder der Christlichen Gemeinde und die etwa 150 Baptisten, die sich durch die Taufe für die Gemeinde der Kreuzkirche Wiesenstraße entschieden haben. „Eine Gemeinde kann sich maximal ein bis zwei hauptamtliche Mitarbeiter leisten“, erläutert Britsch. Der Rest der Arbeit werde auf freiwilliger Basis geleistet. „Es gehört zur Mitgliedschaft dazu, dass jeder seinen Beitrag leistet, das kann Zeit oder Geld sein.“ Kirchensteuern erheben die Freikirchen nicht, aber viele Mitglieder zahlen den „Zehnten“, also einen Anteil am Einkommen, der dann direkt an die Gemeinde geht.

„Das Gebet ist ein wichtiges Element der Freikirche“, sagt Veit Praetorius. „Unsere Gemeindemitglieder sind es gewohnt, frei zu beten, auch im Gottesdienst, bei uns betet nicht nur der Pastor.“ Das gelte auch für die anderen beiden Gemeinden. So kommen die Mitglieder der Freikirchen mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten der Stadt – am sozialen Brennpunkt in Glashütte, im Industriegebiet oder am Rathaus – zusammen, um für Norderstedt zu beten, berichtet Praetorius.

Grundsätzlich gelte für die Freikirchen zudem, dass sie im Unterschied zu den Volkskirchen die Gläubigentaufe praktizieren, also normalerweise erst dann taufen, wenn der Täufling sich selbst bewusst dafür entscheiden kann. Bei einigen Baptistengemeinden werde allerdings mittlerweile auch die Säuglingstaufe anerkannt, wenn das betreffende Mitglied aus der Landeskirche wechselt, so Praetorius. „Es gibt für uns kein ungetauftes Christsein“, sagt FEG-Pastor Michael Britsch, und auch für seine Gemeinde gilt: Wer die Säuglingstaufe als seine Taufe ansieht, der wird aufgenommen. Dirk Evert von der Christlichen Gemeinde wiederum sagt: „Wir regen unsere Mitglieder an, sich taufen zu lassen.“ Eine Reihenfolge gebe es nicht, die Menschen könnten also durchaus auch vor der Taufe bereits aufgenommen werden.

Für die Nordkirche gehören Freikirchen unter das große Dach der Ökumene

Bei vielen Gemeinsamkeiten sehen die Pastoren allerdings auch Unterschiede zwischen den Gemeinden. „Wir sehen den ganzen Menschen mit seinen Emotionen und Gefühlen“, sagt Evert. Seine Gemeinde gehört zum Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, die besonderen Wert auf emotionale Glaubenserfahrungen legen. Klatschen im Gottesdienst gehört genauso dazu, wie die populäre Lobpreis-Musik, mit der dem Schöpfer gedankt werde, stellt Evert fest und sagt mit einem Augenzwinkern: „Wer eine stärker intellektuelle Predigt sucht, geht eher zum Kollegen der FEG.“ Zwischen der FEG und den Baptisten wiederum bestünden vor allem historische Unterschiede, sagt Veit Praetorius. Er könne sich gut vorstellen, dass beide Dachverbände, zu denen die Gemeinden gehören, in Zukunft fusionieren.

Laut Pastor Jörg Pegelow von der Arbeitsstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelisch-lutherischen Nordkirche gehören die drei Norderstedter Freikirchen allesamt zum „großen organisatorischen Dach der Ökumene“. Da gebe es zwar Unterschiede, aber es sei anders als bei sogenannten Sondergemeinschaften kein Problem, gemeinsame Gottesdienste mit den Gemeinden der Landeskirche zu feiern – wie auch der Norderstedter Stadtfestgottesdienst zeigt. „Sondergemeinschaften, die sogenannten Sekten, beanspruchen für sich in aller Regel, dass sie alleine die einzig richtige, die eigentliche christliche Wahrheit vertreten“, sagt Pegelow. Freikirchen zeichneten sich hingegen durch starke persönliche Glaubensverbundenheit und die freiwillige Beteiligung in den Gemeinden aus – zwei der verbindenden Elemente der Norderstedter Freikirchen.