Neuerding ist es modern, sich plötzlich und unerwartet nackig zu machen. Damit meine ich nicht nur die „Femen“ fatale, die unlängst mit dem Schriftzug „Ich bin Gott“ auf entblößter Brust im Kölner Dom herumzappelte.

Der Anblick kann übrigens nicht allzu spektakulär gewesen sein, wenn davon nicht mal ein 80 Jahre alter Kardinal einen Herzkasper erleidet. Oder der Mann ist Schärferes gewohnt – aber das führt in Abgründe, über die ich nicht zu spekulieren wage.

Nein, auch in heimischen Gefilden flitzen Freiluftnackedeis in rudimentärster Bekleidung durch die Gegend, jahreszeitlichen Temperaturen zum Trotz. Unter dem Motto „Anbaden“ oder „Neujahrsschwimmen“ stürzen sie sich massenweise in die Nord-, Ost- oder in den nächstgelegenen Baggersee – wie, beispielsweise, das Costa Kiesa genannte Kunstgewässer bei Tangstedt. „Anbaden“ ist als zentrale Botschaft natürlich deutlich weniger ambitioniert als ein markiges „Ich bin Gott“. Aber trotzdem, die Aufmerksamkeit der Mitbürger ist gewiss. Das liegt jedoch nicht bloß an der freizügigen Präsentation, so unkompliziert sind wir denn doch nicht. Das Geheimnis heißt: Antizyklische Aktion. Wer zur Adventszeit im Weihnachtsmannkostüm herumstiefelt, mit geschultertem Tannenbäumchen und dampfenden Glühweinbecher in der Hand, fällt nicht besonders auf. Aber versuchen Sie das mal im Juli auf Malle am Hotelpool, bei 33 Grad im Schatten. Damit machen Sie die Engländer so fertig, da brauchen Sie nicht mal mehr am frühen Morgen Ihr Handtuch über die Liege legen, weil die Tommies längst abgereist sind.

In diesem Zusammenhang empfehle ich sowohl der Polizei als auch den Chaosprotestlern in allen auch 2014 unweigerlich kommenden Auseinandersetzungen den kompletten Strategiewechsel. Man stelle sich vor: Schwarzer Block, voll in Rage, eingekesselt von Polizei in Kampfmontur. Plötzlich ein Kommando. Alle Polizisten lassen ihre Schilde fallen, gefolgt von sämtlichen Klamotten. Wasserwerfer sprühen warme Fontänen, angereichert mit Wohlgerüchen. Einem Mannschaftswagen entspringt das Polizeiorchester und spielt John Lennons „Why don’t we do it in the road“. Welcher Chaot möchte bei diesem Anblick noch eine Sekunde länger unter Skimützenmaske und Kapuzenpulli verharren?

Das Leben kann so einfach sein, wenn man mal tut, was andere nicht von einem erwarten.