Norderstedter Fossilienjäger touren durch die Welt auf der Suche nach Exoten. Gegründet hat sich der Verein nach einem Vortrag über Geologie bei der Volkshochschule

Norderstedt. Ihre Freunde heißen Dactyloceras Commune, Promicroceras Planicosta oder Oecotraustes Bradleyi. Und sie sind Millionen Jahre alt. Viele dieser Freunde liegen monatelang in Koffern und Kisten, in Kellern und Schränken. Doch dann und wann dürfen diese Freunde wieder an die Sonne. Unter anderem dann, wenn sich die Norderstedter Fossilienjäger treffen. Klaus Vöge ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft Paläontologie und Geologie Norderstedt. Ein Verein, der sich selbst zumeist als Fossilienjäger bezeichnet. Denn das ist kürzer und prägnanter. Jeden Monat treffen sich Vöge und seine Mitstreiter im Norderstedter Rathaus. Dort wird dann über Neuigkeiten berichtet, die nächsten Ausflüge der Fossilienjäger vorbereitet – und immer wieder gibt es auch Vorträge von Vereinsmitgliedern, wenn diese etwa auf Kreta oder in Schweden Fossilien gesucht und gefunden haben.

An der Ostseeküste oder in Kalkgruben geht’s auf die „Jagd“

„Fossilienjäger erkennt man immer daran, dass sie entweder gebückt auf dem Boden herumkriechen oder aber an Felswänden herumklettern“, sagt Vöge. Und das machen die Fossilienjäger regelmäßig. Zum Beispiel an der Ostseeküste oder in den Kalkgruben bei Miesburg in der Nähe von Hannover. Dort gebe es unzählige versteinerte Zeugen der Urzeit, die nur darauf warten würden, von findigen Hobby-Geologen und -Paläontologen gefunden zu werden. „Wir machen sechs bis zehn Reisen pro Jahr. Meist nach Miesburg. Schweden, die fränkische Schweiz, auch das ist immer möglich, ebenso wie Rundreisen durch Frankreich“, sagt Vöge. Einige Gruppen organisieren auch für sich Touren durch Europa. Dann gehe es auch auch bis nach Portugal, Südengland oder Marokko. Was dort dann alles entdeckt wurde, das werde bei den Vereinstreffen gezeigt.

Die besten Funde der Vereinsmitglieder von versteinerten Pflanzen, Farnen, Seesternen und anderen urzeitlichen Zeugnissen werden einmal im Jahr, für gewöhnlich im Januar, gezeigt. „Jeder zeigt seinen schönsten Fund, damit nichts gesammelt wird und gleich im Keller verschwindet“, sagt Vöge. Was die Mitglieder sammeln, ist sehr unterschiedlich. Einige sammeln alles, was ihnen vor die Nase kommt, andere haben sich auf Muscheln oder Seeigel, auf rezente oder tote Fossilien spezialisiert. Alle der derzeit 28 Mitglieder des Vereins haben – trotz der unterschiedlichen Interessenlagen – gemein, dass irgendwann, beinahe aus dem Nichts heraus, ihr Interesse an den steinernen Zeugen der Geschichte entstand.

Bei einem Ostseespaziergang brach das Sammelfieber aus

Sabine Purwins ist bei einem Ostseespaziergang dem Sammelfieber verfallen. Ihr Mann hatte ein Buch über die Bronzezeit geschrieben, das fand sie schon interessant, doch als sie beim Spaziergang einen versteinerten Seeigel fand, war sie gepackt und wollte mehr von der Zeit weit vor der Bronzezeit wissen. „Ich bin immer neugierig gewesen und wollte daher wissen, was das ist, was ich da vor mir habe“, sagt sie. Sich eigenständig einarbeiten in die Materie der Fossilien, das musste sie erkennen, ist nicht unbedingt einfach. „Es ist unglaublich umfangreich. Da den Durchblick zu behalten, fiel mir anfangs schwer“, sagt die Norderstedterin.

Der Norderstedter Verein war ihr da eine große und willkommene Hilfe. Denn das Fachwissen der dortigen Mitglieder half ihr, ihre eigenen Funde besser zu verstehen und einzuordnen. Und es weckte die Leidenschaft, noch mehr über die längst vergangenen Zeiten zu erfahren. Doch wichtig sei auch die Gemeinschaft im Verein, sagt Purwins. Seit vier Jahren ist sie nun im Verein und nicht einmal habe sie bereut, dem Verein beigetreten zu sein. „Wir lösen hier gemeinsam die Rätsel, die die Fossilien uns stellen. Und auch die Vorträge, die es hier gibt, sind super und sehr lehrreich, auch wenn man kein Fachexperte ist“, sagt sie.

Gastredner müssen das Thema allgemeinverständlich behandeln

Für Klaus Vöge ist es wichtig, dass die Gastredner das Thema plastisch und allgemeinverständlich behandeln. Sechs Vorträge von Fachexperten gibt es pro Jahr, bis zu 50 Gäste kommen dann pro Vortrag. Das sei für solch ein spezielles Thema eine gute Resonanz, findet der Vereinschef.

Das findet auch Rudolf Bartels. Der Wissensaustausch untereinander, aber auch mit den Fachexperten, das sei einfach spannend. Denn obgleich Internet und Lexika wichtige Instrumente für die Beschäftigung mit Fossilien seien, sei der fachliche Blick eines Experten zuweilen noch besser. Ebenso der Austausch über die Erfahrungen, die bei den Ausgrabungen gemacht werden. Rudolf Bartels arbeitet bei den Ausgrabungen, anders als viele seiner Vereinskollegen, inzwischen in einem festen Team. Früher war er immer mit an den Felswänden und in den Kalkgruben unterwegs, doch seit er querschnittsgelähmt ist, klappt das nur noch eingeschränkt. „Was unten auf der Erde ist, da kann ich trotz des Rollstuhls oft noch erforschen, aber das Klettern geht nicht mehr. Das übernehmen jetzt andere“, sagt er. Während andere also an den Felswänden nach Spuren der Vergangenheit suchen, kümmert er sich um die Reinigung und Einordnung der Exponate. Man ergänze sich gut, findet er.

Zum Verein kam Bartels 2002, nachdem er zuvor in der Volkshochschule Vorträge über Fossilien gehört hatte. Das Thema fand er einfach spannend, vielleicht auch, weil ihn in der Jugend bereits die Urzeit interessiert hatte. Seit den Tagen bei der VHS ist er jedenfalls immer im Verein dabei und er habe, so erzählt er, schon unzählige Funde zutage gefördert. „Mein größter Fund war ein 40 Zentimeter großer Ammonit“, sagt er nicht ganz ohne Stolz. Rund 400 Exemplare alter Fossilien bewahrt er in seinem Haus inzwischen auf. Wer nun glaube, dass die Sammlung sehr wertvoll sei, der irre. „Die meisten der Fossilien haben nur einen individuellen und ideellen Wert für den Sammler, großes Geld gibt es dafür nicht. Wirklich wertvolle Funde sind die Ausnahme“, sagt er. Das wären dann eher kuriose Dinge wie sechsstrahlige Seesterne. Doch die seien ungefähr so häufig zu finden, wie ein vierblättriges Kleeblatt.

Wichtig ist dem Verein, dass alle Spaß an der Sache haben

„Wichtig ist für uns letztlich, dass wir Spaß bei der Sache haben und dass wir das Schöne in den Funden erkennen“, sagt Bartels. Das sieht Vereinschef Klaus Vöge ähnlich. Wenn man die Funde sehe, dann hätten diese einen ganz eigenen Reiz – eine Ästhetik, die begeistere. Und natürlich stelle sich jeder, der diese Funde einmal sieht, die Frage, woher die Ammoniten und Muscheln und Seesterne eigentlich kommen und warum und wie sie versteinert sind.

Genau diese Fragen hatte sich bereits in den 80er-Jahren eine Handvoll Norderstedter gestellt. In der Volkshochschule gab es einst eine Einführung in die Geologie. Der Professor, der die Gruppe über Jahre hinweg leitete, wollte aufhören – nicht aber seine Schüler. Aus dieser Gruppe bildete sich im Jahr 1982 die Keimzelle der Fossilienjäger. Die Gruppe wuchs beständig. 1990 wurde der Verein dann offiziell gegründet. Inzwischen ist der Verein anerkannter Kulturträger der Stadt Norderstedt. Darauf, so Vöge, sei der Verein stolz.

Am kommenden Montag stellen wir Ihnen den Verein Aktive Senioren Tangstedt vor.

Alle Folgen der Serie finden Sie im Internet.

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