Bereits 700 Unterschriften gesammelt. Einwohner befürchten Verlegung aus der Gemeinde nach Henstedt-Ulzburg

Alveslohe. Für Erika Walter ist der Zustand nur schwer zu ertragen. Die 90-jährige Alvesloherin muss immer mal wieder zum Arzt, um sich behandeln zu lassen. Sie ist Patientin der Hausarztpraxis an der Alvesloher Eichenstraße, dort aber ist die Ärztin selten anzutreffen. Sie ist selbst krank, wird im Ort erzählt. Und so müssen die Bewohner des Dorfes in die Nachbargemeinden ausweichen. Erika Walter beispielsweise nach Ellerau, was gar nicht so einfach ist. „Ich kann doch nicht immer ein Taxi nehmen“, sagt sie. Ein Auto hat die Seniorin nicht, die seit 35 Jahren in der Gemeinde lebt. Das war im Krankheitsfall bisher auch kein Problem, denn schließlich war der Weg zur Arztpraxis kurz. Das könnte sich aber dauerhaft ändern.

Es ist unklar, ob die Praxis bestehen bleibt, wenn die derzeitige Inhaberin in den Ruhestand geht. Das wird im kommenden Jahr der Fall sein. Die Praxis ist bereits ausgeschrieben, und es gebe einen Interessenten, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) auf Anfrage des Abendblatts mit.

Der Eigentümer der Praxis würde gern wieder an einen Arzt vermieten

Ob die Praxis aber in Alveslohe bleibt, ist damit nicht gesagt. Im Ort kursieren Gerüchte, dass der betreffende Arzt sich in der Gemeinde Henstedt-Ulzburg niederlassen will. „Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass der Arztsitz innerhalb eines Planungsbezirks verlegt wird“, sagt KVSH-Sprecher Marco Dethlefsen. Das müsse aber der Zulassungsausschuss bewilligen. Der Ausschuss ist ein unabhängiges Gremium, das paritätisch aus Vertretern der Krankenkassen und der Ärzteschaft besetzt ist.

Der Alvesloher Peter Bluhm ist deshalb aktiv geworden und hat eine Unterschriftensammlung gestartet. Bluhm ist Vorsitzender des Seniorenclubs und wurde immer wieder auf das mögliche Ende der Arztpraxis am Ort angesprochen. „Für Groß und Klein brauchen wir einen Arzt“, sagt er. „Die Polizei ist weg, der Zahnarzt ist weg, und die Post ist auch schwer zu erreichen.“

Bisher haben etwa 700 Bürger unterschrieben. Mit Bürgermeister Peter Kroll will er die Unterschriften Anfang des kommenden Jahres zur Kassenärztlichen Vereinigung nach Bad Segeberg und wenn nötig auch zum Sozialministerium nach Kiel fahren. „Wir als Gemeinde mit 2700 Einwohnern haben ein Interesse daran, dass es hier weiterhin eine ärztliche Versorgung gibt“, sagt Kroll. Der Vermieter der Praxis habe ihm signalisiert, dass er weiterhin an eine Arztpraxis vermieten wolle. „Ich bin positiv gestimmt.“

Weniger positiv ist die Stimmung bei Erika Walter, die kürzlich für einen Arztbesuch in Ellerau war, um ihre Blutwerte zu besprechen. „Die haben mich zwei Stunden sitzen gelassen“, sagt sie. Dann sei sie gegangen. Sie will wieder zu ihrer Alvesloher Ärztin – wenn die denn da ist. Peter Bluhm ergänzt: „Von Alveslohe nach Ellerau – das geht gerade für ältere Menschen ohne Auto gar nicht.“ Mit der AKN müsste man in Ulzburg-Süd umsteigen, das sei für eine 90-Jährige wie Erika Walter nicht denkbar.

Die Unterschriftenlisten liegen noch bis Ende des Jahres im Dorf aus

Ellerau ist allerdings derzeit die einzige Lösung, denn Hausarztpraxen in Kaltenkirchen oder Henstedt-Ulzburg würden gar keine Patienten mehr aufnehmen, berichtet die Alvesloherin Bringfriede Fock. „Wir brauchen einen Arzt, der wieder Hausbesuche macht“, sagt sie. Es könne nicht sein, dass ein Arzt die Lizenz übernehme und dann in den Nachbargemeinden praktiziert.

Laut KVSH-Sprecher Dethlefsen seien bestimmte Wegstrecken zumutbar. Wenn allerdings in der Region Hausärzte bereits Patienten abweisen oder lange Wartezeiten auftreten, zeige dies auch den Bedarf. Und nicht nur das. „Das sind auch deutliche Anzeichen für den Ärztemangel im Land“, sagt Dethlefsen.

Für die Sorgen in Alveslohe hat er Verständnis. Allerdings sollte sich die hausärztliche Situation in der Planungsregion Metropol-Südwest, die von Glückstadt bis nach Tangstedt reicht, in Kürze zumindest ein wenig verbessern. Insgesamt sechs neue Hausarztsitze sind in der Region bewilligt und besetzt worden. Inwieweit das auch Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen oder auch Alveslohe betrifft, könne er allerdings nicht sagen.

Die Alvesloher zumindest bleiben aktiv. Bis Ende des Jahres liegen die Listen an verschiedenen Stellen im Dorf aus. Der KVSH-Kreisstellenleiter Dieter Freese aus Bad Segeberg sagt: „Eine Unterschriftenaktion macht Eindruck.“