Friedrich Siebkes Buch „Gasthof zur Post“ erzählt aus Elleraus und Quickborns Ortsgeschichte

Quickborn/Ellerau. „Das waren alles nasse Wiesen hier, da stand nur der alte Bahnhof, dahinter war eine Kohlenhandlung. Da führte nur eine einsame Straße hin.“ Friedrich Siebke lässt den Blick staunend über die Parkplätze und Ladenzeilen am Quickborner Rathaus schweifen. „Heute ist das alles riesig geworden, in Quickborn finde ich mich kaum noch zurecht.“

Wenn der pensionierte Kriminalkommissar, Jahrgang 1930, an die Eulenstadt denkt, dann sieht er nicht die moderne Kleinstadt. Dann steht der ländlich geprägte Ort seiner Kindheit und Jugend vor seinem inneren Auge, und zwar in allen Einzelheiten: Seine ziemlich hartherzige Oma Stine, die früh verwitwete, sechs Kinder großzog und mit ihrem zweiten Mann den früheren Ellerauer Gasthof Zur Post betrieb. Die Abenteuer mit den halbwüchsigen Freunden, die feierliche Aufnahme in die Hitlerjugend im ehemaligen Kino, der Gestank gegerbter Felle auf dem Gelände, auf dem heute das Rathaus steht. „Wenn wir in der Mittelschule Pause hatten und rausgingen, rochen wir diesen scheußlichen Gestank.“

Dieser untergegangenen Welt hat Siebke jetzt ein literarisches Denkmal gesetzt. Auf fast 700 Seiten beschreibt er in seinem Buch „Gasthof zur Post. Ellerau wie es früher einmal war“, wie sich Weimarer Republik, NS-Zeit, Krieg und Währungsreform im Alltag seiner Verwandten, Freunde und Nachbarn spiegelten. Akribisch genau beschreibt er Hunderte von Alltagsszenen, oft deftig, immer etwas flapsig.

Allen niederdeutschen Dialogen hat er ihre hochdeutsche Übersetzung beigefügt. „Jede Szene ist belegt, das habe ich mir nicht ausgedacht“, sagt der Autor. Nur die Dialoge der Wählings, Bestes, Saggaus und weiterer Familien entstammen seiner Fiktion. „Die habe ich romanhaft überarbeitet, es soll ja auch spannend zu lesen sein.“ Das Vorwort hat Siebkes Schwager Peter Dwinger verfasst. Er engagiert sich in der Quickborner Geschichtswerkstatt.

Die Bauern brachten Friedrich Siebke alte Fotos

Beim Schreiben schöpfte Siebke, der Mitte der 50er-Jahre mit Frau und Baby Quickborn-Heide verließ, um nach Hamburg und später nach Lüneburg zu ziehen, vor allem aus den eigenen Erinnerungen und den Überlieferungen seiner Familie. Manches erfuhr Friedrich Siebke von den Bauern, zu denen er noch Kontakt hat. Sie waren es, die ihn zum Schreiben dieser Ortsgeschichte motivierten. „Sie brachten mir alte Fotos und fragten, ob ich das nicht alles mal aufschreiben wollte.“

Im Jahr 2007 machte Friedrich Siebke sich ans Werk. Erfahrung im Schreiben hatte er da bereits reichlich, das Buch ist sein sechstes Werk. Seine Zeit bei der Mordkommission Hamburg, der er von 1969 bis zu seiner Pensionierung 1984 angehörte, hatte er im „Todesermittler“ verarbeitet, die Erlebnisse im Streifendienst und bei der Kripo von 1951 bis 1969 waren in „Meine Polizeidienstzeit“ eingeflossen.

In der „Siebke-Saga“ erzählt der 2003 verwitwete Schriftsteller die Familiengeschichte. Die ersten Bücher hackte er noch in eine Reiseschreibmaschine, seit zwölf Jahren benutzt er dazu einen Computer.

Veröffentlicht hat Siebke keins seiner Bücher. Warum nicht? „Ich habe die Sachen vor allem für meine Kinder und mich selbst aufgezeichnet. Damit ich weiß, was ich eigentlich gemacht habe im Leben“, sagt Siebke. Das Schreiben liegt ihm. „Ich musste schon als Junge während des Kriegs immer die Briefe an die Onkel verfassen, die im Feld standen. Das konnte ich einfach ziemlich gut.“

Vielleicht, fügt er nachdenklich an, habe das Schreiben auch eine therapeutische Funktion gehabt. „Ich habe mir vieles von der Seele geschrieben.“ Die Toten aus seiner Zeit beim Morddezernat ebenso wie die Härten seiner Kindheit. Der Hunger, die Angst, das Torfstechen, die Jagdbomber, vor denen Siebke und seine Altergenossen auf dem Weg zu Schule und Konfirmandenunterricht in selbst gegrabene Deckungslöcher flüchteten. „Die Zeit hat uns geprägt, das hat uns ganz schön verhärtet.“

Das Buch hat Friedrich Siebke auf eigene Kosten drucken lassen. Zu beziehen ist es über Lili Heuser unter der Telefonnummer 04106/71824 zum Selbstkostenpreis von 35 Euro. „Ich will daran nichts verdienen, es ist eher mein Vermächtnis an Quickborn und Ellerau“, sagt der Autor. „Hier habe ich meine Kindheit verbracht, und dieser Heimat fühle ich mich bis heute verbunden.“