Hans Heyer freute sich über den Gast, andere wollten das Tier erschießen lassen

Norderstedt. Das Streitobjekt hat den Fall auf seine Art gelöst: Das Reh ist einfach wieder verschwunden, so unauffällig, wie es gekommen war und so, wie es ganz ohne eigenes Zutun für Ärger gesorgt hatte. Während sich Hans Heyer über den niedlichen Gast freute, der jeden Tang zum Äsen in den ungenutzten Nachbargarten kam und dann bei ihm aus dem Gartenteich getrunken hat, hatten Nachbarn die Polizei alarmiert und forderten, das Tier zu erschießen.

„Tagsüber lag das Tier auf seinem Ruheplatz unter den Büschen, ab 16 Uhr kam es raus, fraß und trank und traute sich sogar bis auf wenige Meter an das Wohnzimmerfenster heran“, sagte Heyer. Woher das Reh kam, und wie es zwischen den bebauten Grundstücken hindurch und über Zäune in die Privatgärten kam, weiß Heyer nicht.

„Möglicherweise wurde das Tier gejagt“, sagt der 66 Jahre alte Norderstedter, der in der Nähe der Tarpenbek wohnt. Förster Sebastian Bohne geht davon aus, dass der Appetit das Wildtier in die Zivilisation getrieben hat: „Rehe sind Feinschmecker, und wenn sie irgendwo Rosenknospen und leckere Sträucher finden, fressen sie lieber diese Leckereien als die Alltagskost.“ Auch die alten Äpfel, die im Garten lagen, hatte der Gast schnell verspeist.

Offensichtlich war der Besuch kein Einzelfall. Er sei schon von mehreren Gartenbesitzern in Norderstedt angerufen worden, die Rehe zu Gast hatten, sagt Bohne. Warum drängen die Tiere in die Gärten? „Zwar finden die Tiere grundsätzlich auch im Winter ausreichend Futter im Wald, zumal wir immer mehr von den Fichten-Monokulturen wegkommen und Laubgehölze pflanzen, an denen die Rehe knabbern können“, sagt der Tangstedter Förster. Allerdings seien die Wildbestände hoch, sodass die Rehe sich ihr Futter und vor allem Delikatessen außerhalb ihrer eigentlichen Reviere suchten. Hinzu kämen Revierkämpfe, die die Tiere ebenfalls aus ihren angestammten Lebensbereichen vertreiben könnten.

So wie das Tier bei Hans Heyer, das sich neugierig und vorsichtig dem Haus näherte. „Es stellte die die Ohren auf, witterte und sah durch das Fenster nach innen, wo ich gefilmt habe“, sagte der Musiker. Doch plötzlich drohte dem Idyll das Ende. Die Polizei stand vor der Tür. „Die Beamten sagten, Nachbarn hätten sie alarmiert. Es gebe hier ein Reh, und sie müssten einen Jäger einschalten“, sagt der Naturfreund. Die Nachbarn witterten Gefahr, sie fürchteten Unfälle, wenn Bambi auf die Straße vor Autos läuft. Das müsse verhindert, das Reh erschossen werden. Doch die Rehjäger hatten die Rechnung ohne Heyer gemacht: „Hier wird nicht geschossen“, befand der. Er kann nicht verstehen, wie Menschen fordern können, derart ungefährliche und niedliche Tiere zu töten.

Auch für Förster Bohne ist das keine Lösung: „Es ist ohnehin verboten, einfach so in der Stadt rumzuballern. Dafür muss eine Genehmigung vorliegen.“ Wer Rehe nicht in seinem Garten haben und seine Blumen schützen will, sollte die Tiere auf keinen Fall füttern. Sie seien leicht zu vertreiben. Rausgehen und Geräusche machen helfe schon. Wird diese humane Art der Vertreibung mehrfach wiederholt, merken sich das die Hirschtiere und bleiben weg. „Mehr könnte ich auch nicht unternehmen“, sagt Bohne. Schutz biete eine dichte Hecke oder ein mindestens 1,70 Meter hoher Zaun.

Schließlich fand auch der Streit um das Heyersche Reh ein friedliches Ende. Ein Jäger hatte abgewinkt: Das Reh sei allein in den Garten gekommen und werde auch wieder verschwinden, lautete seine Antwort. Genau so kam es.